
“Alles Licht” – ein vielfarbiges Konzert in der Klosterkirche
Zwei junge Pianisten aus Neuruppin beeindruckten das Publikum, bevor Ulrike Haage und Daniel Stickan in der Klosterkirche Klangräume zwischen Dunkelheit und Licht eröffneten.
Ein einziger Gegenstand hätte alles geändert. Es hätte gereicht, wenn der Vertreter der Gemeinde mit Mundschutz vor das große Auditorium in der Klosterkirche getreten wäre, um dann ungeschützt und natürlich ohne jede Albernheit in das Konzert “Alles Licht” mit Ulrike Haage aus Berlin am Flügel und Daniel Stickan aus Lüneburg an der Orgel einzuführen. Die Pianistin ist die Komponistin. Sie sagt selbst, die Stücke seien im Verlauf der Pandemie entstanden, drückten ihre Reaktion auf die völlig neue Situation aus, auf den Lockdown und die nur bedingt mögliche Arbeit als Musikerin. Zu erleben war ein Aufbegehren der Künstlerin in finsteren Zeiten, die Suche nach Trost und Hoffnung, Mut zur Intensität und zum Wagnis, Ringen um Authentizität und Wohlklang trotz Virenmacht, vermutlich im chinesischen Wuhan entfacht. Was teils in Berlin, teils in Dänemark oder Italien als Kompositionen entstanden ist, von “Windows of Enlightment” über “White Darkness” bis zu “Noctilucent”, war tief berührend und weckte nicht erst am Ende Stürme der Begeisterung.
Der Organist sei, so heißt es auf dem Handzettel, einer der profiliertesten Vertreter einer neuen spirituellen Musiksprache. Also keine traditionelle Kirchenmusik. Vor allem kann Stickan sich zurücknehmen, sich beschränken auf feine Grundierungen, ein dunkles Dröhnen oder lange anhaltendes Zittern in der Luft. Umso beschwingter geht die Pianistin ans Werk, lässt melodische Klänge durchs “Fenster der Erleuchtung” herein. Die Empfehlung: Wir sollten – ganz japanische meditative Art – öfter hineinblicken. Es ist rund. Es ist in christlichen Kirchen und Gotteshäusern anderer Religionen nicht unbekannt. Die Sonne hat schließlich auch keine Ecken. Dass das Duo sich in eines der finstersten Gebiete Deutschlands begab, was den Nachthimmel angeht, lässt “Noctiludent” noch wirkmächtiger werden, gerade wegen der Ambivalenz tiefer Dunkelheit. Schwarz gehört zum Leben. Gewitter klang an. Naturgewalt. Das Faszinosum der Fensternis. Des Unwägbaren, des Unwegsamen. Nur “Siehe mein Engel” wäre zu wenig gewesen, will man – wie dieses wagemutige Duo – nicht weltentrückt und blauäugig sein und doch beglücken. “Alles Licht” lebt auch von Dunkelheit, in höchster Intensität im “Kaddish” zu spüren, einer Adaption von Maurice Ravel und dem Judentum tief verbunden. Traurigkeit und Dankbarkeit schließen sich eben nicht aus, schon gar nicht in einem Gotteshaus.
Das große Auditorium kam vorab in den Genuss junger Musik. Als vielfach erfolgreiche Preisträger zeigten der 14jährige Arthur Dodul und der 17jährige Maximilian Schuck ihr Können. Anspruchsvolle Kompositionen von Händel, Bartok und Mendelssohn Bartholdy verdeutlichten, was an der Kreismusikschule erreicht werden kann, wenn… Die Sonnenblumen waren eine schone Verbindung mit dem Motiv des Abends. Wer sich erinnerte, wie junge Leute zur Coronazeit nur mit Mundschutz am Klavier öffentlich aufspielen durften – wenn überhaupt, dürfte noch empfänglicher gewesen sein für die empfindsame und zugleich enthusiastische Art, mit der Ulrike Haage und Daniel Stickan für Licht und Schatten des Lebens kunstvoll sensibilisierten und Leid transzendierten. Schade, dass sie keine Schallplatte mit sich führten…