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IN Lesung 2 joanna eins
Intensive Gepräche zwischen Peter Böthig und Hans-Haiko Seifert.

“Joanna” – ein beeindruckendes Debüt von Hans-Haiko Seifert aus Dresden

08.09.2025 | Volkmar Heuer-Strathmann |

Ein Liebesroman? Ein historisch-politisches Werk? Ein deutsch-polnischer Stoff? Ein Stück DDR-Geschichte? Man kann Hans-Haiko Seifert bescheinigen, dass es ihm bei seinem Debüt mit “Joanna” gelingt, all diese Elemente zusammenfließen zu lassen. Leider interessierten sich nicht eben viele Neuruppiner oder Brandenburgerinnen dafür. Der Samstagnachmittag erwies nicht als günstiger Termin. Die Einladung des Dresdeners aber erwies sich als Glücksfall.

Go West!”, ist nicht die Parole von Georg. Aber in der DDR, diesem “schlafenden Land”, zu bleiben, das wäre für einen tendenziell unangepassten Typen wie ihn um 1980 auch nicht verlockend. Also Warschau, also ein Studium in der Hauptstadt des Bruderstaates, dessen Sprache er noch schnell irgendwie lernen muss. Es gibt Parallelen zur Biografie des Autors, aber als autobiografisch bezeichnet er den Roman im Gespräch mit Moderator Peter Böthig nicht.

Seifert lässt zunächst miterleben, wie Georg auf die Cellistin Joanna trifft, wie er sie wiederzutreffen sucht und dabei zunächst scheitert. Die Darstellung hat immer wieder heitere Züge, zumindest für die Lesenden oder Lauschenden. Aber ohne ein Wiedersehen, ohne Verliebtheit und Verwirrtheit auf beiden Seiten gäbe es den einen Höhepunkt nicht: Die junge Polin kann ihre Ausbildung eventuell in Düsseldorf fortsetzen. Und er? Als Bürger der DDR? Die Schilderung des Wegs bis zur Flugreise hat teils satirische Züge. Böthig und Seifert müssen immer wieder selbst lachen, auch im Gespräch.

Der historische Hintergrund geht nicht verloren, steht an diesem Nachmittag aber nicht im Vordergrund. Also der Überfall auf Polen durch NS-Deutschland 1939, die frühe Gettobildung in Warschau 1940, das verzweifelte Aufbegehren der Juden im Getto 1943 und der 1944 folgende mutige und ebenfalls vergebliche polnische Aufstand. Was deutlich wird, ist die besondere Situation von DDR-Bürgern wie Georg. Ein Nachkomme des “Tätervolks”? Nun Teil der sozialistischen Partnerschaft im Warschauer Pakt? Es lohnt sich, selbst genau zu studieren, wie der Autor weitere Charaktere entwickelt und die Handlung entfaltet.

IN lesung 2 joanna zwei
Geschickt ausgewählt: der Autor bei der Lesung im Alten Gymnasium.

Vorgelesen wurde das Kapitel der Landung in der Hauptstadt von NRW. In der Hauptstadt der DDR hatte es nur einen kurzen Notstopp gegeben. Stress! Bloß weiter! Weiter nach Westdeutschland! Dort werden die beiden schon auf dem Flughafen von polnischer Gegenwart eingeholt. Auf einem Bildschirm sind Bilder aus Danzig zu sehen. Es gibt Infos über Aktionen von Solidarnosc. Im Gespräch der beiden “Ossis” geht es um die heikle internationale Situation 1981, um den Vergleich mit Prag 1968. Die beiden Lebenshungrigen aber stehen vor der Frage, wie das eigene Leben weitergehen könnte, sollte. Die “Blaue Blume” der Romantik ist eins der Leitmotive. Novalis steht Pate. Hölderlin auch. Suchende eben. Es dürfte niemand der Anwesenden bereut haben, sich an diesem Nachmittag für das Alte Gymnasium entschieden zu haben.´Das Buch gehört in die Schulen, in Deutschland, in Polen – als Performance, wo’s möglich ist, mit Musik und Rezitation. Das Motto für Großes, für Herausforderndes, für Wesentliches steht doch auf der vorletzten Seite: “Ca ira!” Nie gehört? “Wir schaffen das!”

 

Fotos: vhs