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IN rilke roman 1
Lesen, erläuterm, signieren – gern getan von Lena Johannson in Fehrbellin. I Foto: vhs

Mit Clara Westhoff und Rainer Maria Rilke hinein ins Künstlereheabenteuer

25.09.2025 | Volkmar Heuer-Strathmann

Vor 150 Jahren erblickte Rainer Maria Rilke das Licht der Welt. Vor dreißig Jahren wurden die Literarischen Bilderbogen erstmals in den Büchereien des Landkreises aufgeschlagen. Was lag da näher, als sich mit dem hochinteressanten Fall Rilke zu befassen. Die Autorin Lena Johannson las in der sehr gut besuchten Fehrbelliner Bücherei aus ihrem Roman “Clara & Rainer”.

Heimo Schwilk befasst sich in “Rilke und die Frauen” mit ganz unterschiedlichen Damen und Beziehungen. Mit der Mutter fängt’s an. Lena Johannson konzentriert sich weitgegend auf die Bildhauerin Clara Westhoff, die spätere Ehefrau. “Glücklich wurden sie nicht”, resümiert die Autorin am Ende, ohne für sich zu beanspruchen, das Scheitern erklären zu können. Gerade diese Haltung weckt das Interesse, selbst einzutauchen in eine von Brüchen und Widersprüchen geprägte Zeit und Welt – wenn man es nicht schon längst getan hat.
Auch die Entscheidung, an passenden Stellen auf Tonaufnahmen des Rilke-Projekts 2025 zurückzugreifen, erwies sich als geschickt. Iris Berben und Ben Becker etwa sprechen zutiefst menschlich, geben Rilke Atem und Stimme. Verletzbar, aber nicht zerbrochen. Wortgewandt, aber nie abgeklärt. Die Autorin selbst nimmt die Zuhörenden mit nach Worpswede, gibt Einblick in die dortigen Künstlerkreise um 1900 und verschweigt nicht, dass Rilke bereits krisengeschüttelt dort eintraf. Wie er die Malerin Paula Becker und die Bildhauerin Clara Westhoff kennen lernt, wird mit fein dosierter Ironie geschildert. Er ist kein Partytyp, aber auch kein Stubenhocker. Die befreundeten Künstlerinnen sind auch Konkurrentinnen, mehr in Sachen Kunst als in Liebesdingen. Später weist Johannson darauf hin, dass sich Rilke in diesem Dreieck wohler gefühlt haben könnte als im Ehestand. Johannsons Art, Intimität anzudeuten, zeugt von Respekt und zeigt Stil.

IN rilke roman 2
Ernste Blicke: die Eheleute Rainer Maria Rilke und Clara Rilke-Westhoff. Galerie “Der Panther”

Jahre in Berlin und Tage in Moskau lagen hinter Rilke. Mit seiner großen Liebe Lou Andreas-Salome ist er in Wahrheit noch lange nicht fertig. Aber er heiratet kurzerhand Clara. Sie ist schwanger. Ob der Roman, der auf guten Quellen basiert und auf intensiven Studien, auch die Perspektive der Tochter einbezieht, lassen wir hier mal offen. Lena Johannson wollte ja neugierig machen und sie durfte sich am Ende über Applaus und Kaufinteresse freuen. Den Veranstaltern kann man nur gratulieren zu ihrer Wahl und zu ihrem Mut.
Die Voraussetzungen eines solchen offenen Literaturabends sind womöglich recht unterschiedlich, je nach Lebensweg und Alter. Rainer Maria Rilke gehörte in der BRD in den mittleren und höheren Jahrgängen der höheren Schulen zum Pensum, während seine Lyrik den Kulturpolitikern und Kulturschaffenden in der DDR suspekt war. So sah etwa Bodo Uhse eine Tendenz zum Nihilismus bei Rilke. Der durfte nicht Schule machen. In Prag geboren, also in Österreich-Ungarn, gehört Rilke zum literarischen Erbe des notdürftig zusammengefügten Deutschland. “Der Panther” steht in dem Werk “Die Lieblingsgedichte der Deutschen” (2001) immerhin auf Platz 14. Das Meisterstück über Käfighaltung und Leidenschaft, über Mitgefühl und Schreibdistanz gab’s zum Ausklang, gelesen von Otto Sander. Damit habe Rilke sie, so die Autorin, in seine Welt gelockt. Und fortan fasziniert, von Clara und den anderen Damen ganz zu schweigen…