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Wencke Wollny und Katha Lattke 2025 in der Neuruppiner Kulturkirche.

Bewahrt, erledigt, erhöht? “Aufgehoben” – die neue CD von Karl der Großen

01.10.2025 | Volkmar Heuer-Strathmann

Ein “zielloses Blatt im Wind” meint man vor sich zu sehen, wenn man Wencke Wollnys gleichnamigen Song hört. Ein Lebensgefühl, aber noch keine Katastrophe. Sonst würde es stürmen und krachen. Der Song steht am Anfang der neuen CD von Karl der Großen. “Aufgehoben” nennen Wencke Wollny und Band ihre dritte Produktion. Zu Recht gehörte Karl erst kürzlich zu den Kulturtipps auf 3Sat. Und ab Oktober ist Tournee angesagt.

Wencke Wollny war dabei, als Dota in diesem Jahr in Neuruppin aufspielte. Und mit Katha Lattke am Schlagwerk brachte die Gitarristin mit ihrem Gesang feinsinnige Lyrik in die Kulturkirche, als der Fontane-Preis 2025 verliehen wurde. Ein Hochgenuss! Nun liegt die neue CD mit dem Hegel-Titel “Aufgehoben” vor. Zum Erfolgstrio gehört auch Antonia Hausmann (Posaune, Gesang, Bass).

Wencke Wollny kam 1989 auf die Welt. Im Osten, in Neuruppin. Schicksalsjahr. 2008 machte sie in der Fontanestadt am Karl-Friedrich-Schinkel-Gymnasium ihr Abitur. Lehramt war zunächst das Ziel. Kindheit und Jugend waren allerdings sehr stark von Musik geprägt. Da wundert es nicht, dass sie sich inzwischen in Leipzig ganz für die Musik entschieden hat. Schade für Schülerschaft. Schön für die Fans. Am besten für die, die sich Zeit nehmen für Poesie und Performance. Sie sind bei Karl der Großen sehr gut aufgehoben.

Verwundbarkeit ist zu spüren in “Ein Blick”, im Lied “Bau nicht auf mich” sogar Verzagtheit. Aber dann diese Lust auf’s Phantasieren, auf’s Spiel mit Wort, Klang und Sinn, zum Aufbruch, zum Ausbruch. Mit “Voyager” wird’s kosmisch. Wird’s noch leichter, noch lichter. Ein Eindruck vom Leben auf diesem Planeten soll im All vermittelt werden. Eine Botschaft der Menschheit. “Sing besser was aus dem echten Leben”, heißt es in “Niemals Fame”. Das “echte Leben” – authentisch, augenblicklich, alles außer gewöhnlich. Intensität will Karl die Große, mal mit zartem Klang der Instrumente, mal mit Wucht. Mittelmaß wäre das Letzte oder einfache Texte. Selbstoptimierung das Allerletzte. Jedes Wort zählt. “Aufgehoben” bewahrt versweise, überwindet, erhöht. So lässt sich hegeln. Eine Devise für kommende Zeiten? Aufheben? “Rechte auf dem Vormarsch”, hört man gegen Ende in “Arm wie eine Churchmaus”. Vom “Jetten um den Planeten” weiß die Stimme. Selbstironie und ApoKarlipse. Gewagt, Verwegen. Von wegen Weltuntergang. Von Wegen…

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Schrecksekunde – Fotopoesie als Einschlagbild des CD-Umschlags. I Fotorepro von der CD-Hülle

Derart umsungen, umspielt, kann man nur bedauern, dass Neuruppins Kulturkirche nicht auf der Torneeliste vorkommt. Dabei muss es nicht bleiben. Der Song “Vom Sonnendeck” der Welt läuft schließlich bald auf “John Maynard” hinaus, also auf Theodor Fontanes weltberühmte Ballade. “Wieviel Minuten bis Buffalo?” Max Prosas Stimme. Man ist in Not, in Seenot. Klar, dass man den Songtext vergleichen lassen wird mit dem Original. So kommt Wencke Wollny mit ihrem wunderbaren Trio und all den Mitwirkenden doch noch in die Lehranstalten. “Ich kann nicht mehr” in “Hinlegen” ist nicht das letzte Wort. Eindeutig: mehrdeutig! Die drei Künstlerinnen können noch viel mehr in Bildwelt, Klangraum und Videokosmos. Und eben live. Die Band tourt. Am 12. Oktober 2025 wird Karl die Große in Berlin im Kulturhaus Insel zu erleben sein.

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Foto: vhs