“In die Sonne schauen” – aber vorher den gleichnamigen Film ansehen!
Eben erst in die Kinos gekommen, hat Mascha Schilinskis Spielfilm “In die Sonne schauen” den Durchbruch schon geschafft. In Cannes gab’s den Preis der Jury, in Lindow gab’s kaum noch freie Plätze. Und ein Oscar ist nicht ausgeschlossen. Das “Bahnhofskino im Exil” hatte ins Bürgerhaus Alte Schule eingeladen. “Ziemlich speziell”, so hieß es vorab vom Veranstaltungsteam über das Werk.
Sehr speziell. Als Hörspiel gäbe es überwiegend Atemgeräusche. Bisschen Lärm. Bisschen Gerede. Bisschen Lust. Später Maschinen. Mindestens eine Mähmaschine. “Hundert Jahre Weiblichkeit”, hätte man den 150 Minuten kurzen Film auch betiteln können. Oder “Frauenalltag in wechselnden Systemen”. Oder einfach “Vierseithof”. In einem Vierseithof ist die Handlung angesiedelt. Das Wort Handlung erfasst nicht das Spezielle. Da leben halt Leute. Und da erleiden paar Frauen ihr Schicksal. Gut, der junge Mann, der ein halbes Bein verliert, ist auch nicht so gut dran. Aber den meisten Männern geht es doch durchweg besser als den Mädchen, als den Frauen.

Ob das Schauspieler und Schaupielerinnen sind? Gespielt wird kaum. Also im traditionellen Sinne. Viel geschieht nicht, aber es passiert Schreckliches. Zum Zwecke der Vergewaltigung geht der eine ekelige Typ lieber aus dem Blickfeld. Die Kamera geht nicht mit. Die Jahrzehnte werden nicht linear entfaltet. Man springt, man bricht ab, es gibt Schleifen. Es gibt Solopassagen im Off. Es geht in die Betten. Die Kamera mittendrin oder nah dran. Unter Kindern, unter jungen Leuten. Stilvoll geht auch, ein eingedeckter Tisch, Kerzenlicht. Patriarchat pur. Fast hundert Jahre päter diese Lockerheit. Diese verkrampfte Lockerheit der Eindringlinge aus gewissen Milieus. Dazu Handykommunikation, also bisschen tippen, ansonsten Telefon und irgendwie voll offen. Und doch frustriert. Das Publikum indessen hochkonzentriert und spürbar berührt.
Popcorngeknister? Nicht auszudenken! Echte Kinoatmosphäre? Die riesige Leinwand, die ansteigenden Stuhlreihen? Schrecklich! Aber die alte Schule, das Provisorische, keine festen Reihen, dazu die Katze auf dem Flur – das passte. Sonderbar wirkt, unabhängig von der Spielstätte, wie wenig historisch-politische Symbolik da eindringt bei Schilinski. Aber hinterm Mond der Altmark mag das so sein. Was, wenn die Neuen so Kinotypen gewesen wären? Von der Großstadt ins Exil. Statt vier Gebäudeseiten drei Seen…