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Tucholsky über den alten Theodor Fontane: “Gelobt sei sein Name!”

“Theodor Fontane und Kurt Tucholsky” – 2026 in Neuruppin ein Tagungsthema

22.11.2025 | Volkmar Heuer-Strathmann

Der eine kam 1819 in Neuruppin auf die Welt, der andere 1890 in Berlin. Der eine wurde recht alt, der andere nicht. Beide waren Kulturjournalisten, beide waren Schriftsteller. Berlin hat sie sehr geprägt. Und umgekehrt. Im Oktober 2026 wollen sich die Berliner Kurt.Tucholsky-Gesellschaft und die Potsdamer Fontane Gesellschaft in Neuruppin auf einer Tagung intensiv mit den beiden Künstlern beschäftigen.

Tucholskys Gedicht “Der alte Fontane” (1918) hat es bis in die Deutschbücher und die Abiturmaterialien geschafft. Aber es wäre sicherlich völlig falsch, Theodor Fontane und Kurt Tucholsky schlichtweg auf einer Linie zu sehen – politisch, ästhetisch, persönlich. Zu unterschiedlich die Welt, die Weltsicht und die Werke! Tucholskys “Rheinsberg – ein Bilderbuch für Verliebte” (1912) könnte allerdings leicht dazu verführen, ihn an der Seite seiner Traumfrau auf den Wochenendwanderer durch diesen wunderschönen Teil der Mark Brandenburg zu reduzieren. Versuche dieser Art wurden längst gemacht. Bildmaterial und Musik helfen, den Störenfried zu vergessen.

Lassen wir lieber Tucholsky und Fontane selbst zu Wort kommen, ohne der Tagung vorzugreifen. “Ich finde unsere Theaterzustände greulich”, schreibt Fontane 1860. Einen Stammplatz als Kritiker im Königlichen Schauspielhaus von Karl Friedrich Schinkel am Berliner Gendarmenmarkt sollte er erst ab 17. August 1870 haben. “Wilhelm Tell” von Friedrich Schiller wurde gegeben.
Tucholsky zitiert die deutlichen Worte 1929 und geift auch das Folgende gerne auf: “Das Quantum von Dummheit, Indolenz, Klugschmuserei, Eitelkeit und Intrige ist zu groß, als dass man Lust haben könnte, sich daran zu verheben.” Schlichte Analogien liegen Tucholsky fern, aber er mag diesen Mut, diesen Blick, diese Wortwahl. Mit den Romanen von Fontane hat er es nicht so, das spürt man an anderer Stelle. Aber der Theaterkritiker ist für den Satiriker sicherlich ein Vorbild gewesen. Den Niedergang des Berufs müssten beide bedauern.

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Parkettplatz 23, reserviert für Theodor Fontane und sicherlich gratis.

Simon Strauß, selbst noch als Theaterkritiker bei der FAZ bestallt, hat kurz vor dem Fontane-Jahr 2019 eine Sammlung herausgegeben, die Fontanes Glanzstücke bündelt, aber auch sehr deutlich seine Grenzen zeigt. Über “Macchiavella” von Leonhard von Kohlenegg schreibt Fontane 1872 einen Totalverriss: “Es ist ein Stück, das zu keiner Jahreszeit gegeben werden sollte.” Henrik Ibsens Psychodrama “Die Wildente” sieht er 1888. Der Stoff, den man an der Berliner Schaubühne in diesem Jahr erneut serviert hat, ist Fontane wichtig, geht es doch auch um die Altersseligkeit. Doch den auf der Bühne Agierenden wirft er vor, dass sie, “während sie von Weltverbesserung sprechen, nur ihrer Eitelkeit fröhnen”. Worte, die nachhallen, bis heute, bis hinein in die großen Theaterhäuser und in die Provinz nicht minder.
Kurt Tucholsky war ein politisch engagierter Autor. Die Satire war seine Stärke. Die Nazis verfolgten ihn. Er blieb im Exil, bis er seinem Leben 1935 selbst ein Ende setzte. Theodor Fontane war nicht etwa unpolitisch. Wie auch als poetischer Realist in Zeiten tiefer politisch-historischer Zäsuren. Tucholsky sieht sich als Pazifist unter Militaristen. Über sein Verdikt “Soldaten sind Mörder” (1931) ist schon in Karlsruhe vor dem Bundesverfassungsgericht verhandelt worden. Ein Satz über Fontane im Jubiläumsjahr 1919 wirft schwierige Fragen auf, gerade richtig für eine Tagung mit Weltbezug: “Theodor Fontane ist nicht am 20. September 1898 gestorben, er starb am 1. August 1914 – gerade zu Beginn der großen Zeit.” Ironie pur. Der Erste Weltkrieg begann. Chemische Waffen kamen zum Einsatz. Doch zunächst kursierte unter Freiwilligen im Reich die Parole: “Zum Frühstück nach Paris!” Da fuhren Autoren wie Ernst Jünger gerne mit. Tucholsky selbst kam nur im Rückraum zum Einsatz.

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Besorgter Blick, der Satiriker und Verseschmid Kurt Tucholsky.

Die Kurt Tucholsky-Gesellschaft ist besorgt, was die Zukunft des Museums in Rheinsberg angeht, daraus macht Robert Färber aus Herne als Vorsitzender kein Geheimnis. Erst kürzlich war er bei der Lesung von Stadtschreiber Max Czollek zugegen. Tucholsky verehrte Fontane für solche Sätze: “Kritiken und Gerichtshöfe sind nun mal nicht (der) Freude halber da.”
Tucholsky empfiehlt, Fontane nicht auf Balladen und Romane und auch nicht auf Aphorismen zu reduzieren. Von wem mag wohl der folgende Satz aus einem Brief an einen Schauspieler sein, von Tucholsky oder von Fontane? An Ego mangelte es ja beiden Männern nicht: “Ich habe ein unbedingtes Vertrauen zu der Richtigkeit meines Empfindens.”

Fotos 1, 3: Frei zugängliche Internetquellen
Fotorepro aus: Karl Friedrich Schinkel; Geschichte und Poesie