Karl Friedrich Schinkel und Theodor Fontane als „Paten“ der deutschen Einheit
Es ist schon ein Weilchen her, da wurden Karl Friedrich Schinkel und Theodor Fontane für ganz Brandenburg in Anspruch genommen. Wie Ehrenbürger, wie Leitfiguren. Mehr Neuruppin geht nicht. Es war der 2. Dezember 1990. Willy Brandt sprach.
Als Alterspräsident durfte der ehemalige Bundeskanzler die Sitzung des Deutschen Bundestages eröffnen. Die SPD selbst hatte nach damaliger Messlatte eher mäßig abgeschnitten bei den ersten Wahlen zum Bundestag nach der sogenannten Wiedervereinigung vom 3. Oktober 1990. Man tagte in Berlin, nicht in Bonn. So wurde im Reichstag dem deutschen Volke ein Zeichen gesetzt. Die Hauptstadtfrage war noch nicht entschieden.
Nun also eine Situation, für die es kein Drehbuch gab. Vorbei die Bonner Übersichtlichkeit. Allerdings ging es dann doch weiter mit CDU/CSU und FDP. Die Wählenden hatten es möglich gemacht. Bündnis 90 und die Grünen müssen erst noch zueinander finden. Willy Brandt war einst in West-Berlin Regierender Bürgermeister gewesen. Mit seinem Namen verbindet man eine neue Ost-Politik, auch innerdeutsch. Katja Gloger und Georg Mascolo sehen in ihrem Werk “Das Versagen” hier bereits falsche Weichenstellungen, also im abklingenden Kalten Krieg. Über Röhren unter der deutschen Erde und schon länger laufende rumorende Geschäfte kann Brandt hier schlecht reden. Immerhin war er auch Präsident der Sozialistischen Internationale gewesen. Und Friedensnobelpreisträger.

Man dürfte lange an dem Einheitstext herumgetüftelt haben. Am Ende waren es dann große Namen, die zu hören waren, als würden sie so etwas wie regionale und nationale Identität gleichermaßen verkörpern. Bei Schinkel und Fontane käme die lokale Dimension hinzu. “Ich grüße die Landsleute in den neuen Bundesländern”, hebt der Redner an und ist schon bald “in Schinkels und Fontanes Brandenburg”. Wenn man sich doch bloß erinnerte, was man damals dachte am Fernseher im Niedersachsen von Wilhelm Busch und Rudolph Eucken!
Brandt blickt nur gen Osten und in Berlin guckt er im Kreis. Da landet er bei Humboldt und Hegel. Goethe und Schiller stünden für Thüringen. Bach und Leibniz für Sachsen. Luther und Nietzsche für Sachsen-Anhalt. Fritz Reuter und Ernst Barlach für Mecklenburg. Und für Vorpommern stünde Caspar David Friedrich. Sicher eine Ehrengalerie. Geistesgrößen und Kulturgötter mannhaft aufgereiht. Doch kein Fauenname weit und breit. Ginge man von den Geburtsorten aus, wäre Goethe ein Frankfurter vom Main. Schiller kam in Marbach zur Welt, also hinterm damaligen Mond und so weiter. Die Kleinstaaterei macht die Rückverfolgung nicht einfach, aber interessant. Bei Leibniz stimmt die Sache mit der Geburt, aber die Kekse kommen nicht zufällig aus Hannover. Dass wiederum Schinkel und Fontane ihre Wirkung primär von Berlin aus entfalteten, sei nicht unterschlagen.
In minus Neuruppin stellt keine Hausaufgaben. Die Lektüre reicht als Belastung. Aber interessant wäre es schon, nach vergleichbaren echten Landeskindern in allen 16 Teilen Deutschlands zu schauen und dabei nicht auf Mannsbilder fixiert zu sein. Nietzsche für Sachsen-Anhalt in Anspruch zu nehmen, für den diese Art Historisierung eine schlechte Lachnummer gewesen wäre oder schlimmer, zeugt von verzweifelter Suche. Und Unkenntnis?
Mechthild von Magdeburg ginge. “Du leuchtest in meine Seele, wie die Sonne auf das Gold”, notierte sie im 13. Jahrhundert. Helmut Kohl war vermutlich nicht gemeint.