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Anja Blumenstein und Mario Zehle bei der Begrüßung zum Schlussakt I Foto: vhs

30 Jahre Literarischer Bilderbogen – ein denkwürdiges Jubiläum

10.12.2025 | Volkmar Heuer-Strathmann

Große Namen kann man auflisten – von Günter Grass bis Ursula Krechel. Auch Politiker wie Joachim Gauck haben den Literarischen Bilderbogen mitgeprägt. Dass sich die Bibliotheken eines Landkreises derart für die Literatur engagieren und damit für die Gesellschaft, dürfte immer noch die Ausnahme sein in Deutschland. Zum Abschluss des 30. Durchgangs wurde der Weg gewürdigt, ebenso die Wegbereiterinnen.

Den Nobelpreis für Literatur erhielt Günter Grass erst im Jahr 1999. Beim ersten Literarischen Bilderbogen im Jahr 1996 war er mit von der Partie, so die Kreistagsvorsitzende Sigrid Nau (CDU), die die Erfolgsgeschichte gerne skizzierte. Grass in Neuruppin? Nein. In Neustadt. In der Fontanestadt wäre der peinliche Fehler sicher sofort aufgefallen, wenn er jene Seiten aus dem ein Jahr zuvor erschienenen Wälzer “Ein weites Feld” aufgeblättert hätte, die direkt in die Geburtsstadt Theodor Fontanes führen. In den Feuilletons der Lokalzeitungen wäre gewiss ein Aufschrei zu hören gewesen oder zu lesen. “Hier ging er aufs Friedrich-Wilhelm-Gymnasium, wie ja auch Schinkel…” Ein “s” mehr oder weniger, das spielt für Grass keine Rolle. Das fatale “SS“ versucht er in eigener Sache ja möglichst ganz auszusparen. Über den “großen Baumeister” heißt es eine Seite zuvor, er habe “Preußen nach schlichtem Maß diszipliniert”. Einfach voll schwach, dieser Roman, zumindest im Hinblick auf Neuruppin und die Region. Oder war es seinerzeit noh so trüb’ und betrüblich?

Beim Jubiläum ging es natürlich nicht um Fehlersuche auf Oberlehrerart. Dafür waren die vielen Gäste, darunter nicht wenige Männer, nicht ins Haus der Sparbücher am Fontaneplatz gekommen. Anja Blumenstein und Mario Zehle vom Vorstand der Sparkasse Ostprignitz-Ruppin haben sicherlich gepürt, wie gut die Küchenwerke und die Getränke ankamen, noch ehe das erste Wort fiel. Und rein literarisch sollte es auch ein echter Höhepunkt werden, das schienen die gastgebenden Buchkulturförderer schon zu ahnen.

Die Bedeutung des Landkreises für diese Art Festspiele wurde gewürdigt – vorneweg Landrat Ralf Reinhardt (SPD), seit 2010 an der Spitze. Die Blumen für Anke Unkenholt, die als Leiterin der Kreisvolkshochchule federführend tätig ist für den Literarischen Bilderbogen, galten symbolisch sicher auch allen anderen auf diesem Feld engagierten Kräften. Sie wirkt nicht nur im Vorfeld, nicht nur im Hintergund, nicht nur in ihrem Team, sie ist soweit möglich präsent, wenn in den Bibliotheken des Landkreises und an ausgewählten Leseorten literarische Werke präsentiert werden von denen, die dafür vollumfänglich verantwortlich zeichnen. Also etwa die Büchner-Preisträgerin 2025 in Wittstock.

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Büchner-Preisträgerin 2025 – Ursula Krechel in Wittstocks Bibliothek. I Foto: vhs
Wer das ist? Scherzfrage. Ursula Krechel las in der Dossestadt vor vollem Haus aus ihrem Roman “Sehr geehrte Frau Ministerin”. Welch ein Glück! Für die Lesung beim Bilderbogen hatte man sie gewinnen können, ehe die Juroren die lange fällige Auszeichnung aussprachen. Danach wäre es womöglich schwierig geworden, die Büchner-Preisträgerin zu buchen. Das Beispiel zeigt auch, dass man seitens der Verantwortlichen keinen Bogen macht um hochpolitische Literatur. Es geht um ein Attentat, es geht um einen Wirrkopf, der vom rechten Weg abkommt. Oder ihn konsequent zu Ende geht. Ansichtssasche.

Zum Literarischen Bilderbogen gehört auch, dass die Performance passen soll. Formate werden flexibel gehandhabt. Also wurde in Wittstock vorgetanzt, als sich Michael Lemster dem Walzer und der legendären Familie Strauß widmete. Also lud man in Fehrbellin in die Rhinhalle ein, als Sebastian Klussmann sein Weltwissen präsentierte. Manche in der Menge mochten am Ende mitquizzen. Am Jubiläumsabend war es die gut gefüllte Sparkassenhalle, die fast zum Schauspielort wurde. Dort, wo der Schein nicht mehr so viel zählt wie 1995. Buchwert scheint indessen wichtiger denn je. Es fiel auf, dass seitens der Fontane Buchhandlung ganz schön hoch gestapelt wurde auf dem Büchertisch. Das musste Gründe haben. Jakob Hein hat sie mit seinem jüngsten Roman geliefert und mit seiner Darbietung eigentlich noch mehr. Volltreffer! Ein furioser Auftritt!