
Wittstock: Besondere Auszeichnung für Pädagogin Ellen Gottschalk
Ellen Gottschalk hat den Deutschen Lehrkräftepreis erhalten. Die Auszeichnung ging erstmals an die Lehrerin einer Schule mit dem sonderpädagogischen Schwerpunkt geistige Entwicklung. Warum Musik eine zentrale Rolle in ihrem Lehr- und Lernkonzept spielt.
Wittstock. Mit dieser Ehrung hat Ellen Gottschalk nicht gerechnet. Der „Deutsche Lehrkräftepreis – Unterricht innovativ“ in der Wettbewerbsrunde 2023 ging im April 2024 an die Pädagogin der Mosaikschule in Wittstock. Mehr geht nicht.
Denn bei dieser Auszeichnung handelt es sich um die höchste Ehrung in Deutschland, die für Lehrkräfte ausgelobt ist. Ellen Gottschalk wurde mit bundesweit neun weiteren Lehrkräften ausgezeichnet – und war die einzige Brandenburger Pädagogin. Sie ist zugleich erst die vierte Lehrkraft aus Brandenburg, die jemals diese Ehrung entgegennahm.
1000 Euro Preisgeld für die Mosaikschule Wittstock
Damit nicht genug. Die Auszeichnung der Wittstocker Lehrerin ist etwas ganz Besonderes. Denn erstmals ging dieser Preis an eine Lehrkraft einer Schule mit dem sonderpädagogischen Schwerpunkt geistige Entwicklung. Ellen Gottschalks Auszeichnung ist mit einem Preisgeld in Höhe von 1000 Euro für die Mosaikschule in Wittstock verbunden.

„Diese Ehrung kann ich bis heute nicht begreifen. So eine Wertschätzung hätte ich nie für möglich gehalten. Ich bin innerlich sehr bewegt“, sagt Ellen Gottschalk auch noch Monate nach ihrer Würdigung. Doch diese Auszeichnung nimmt sie nicht für sich allein in Anspruch. „Wir sind ein Team von Lehrkräften“, sagt die 60-Jährige Diplom-Pädagogin. Und: „Nur im Team kann unsere Arbeit gelingen, das ist immer ein Gemeinschaftswerk.“ In der Mosaikschule gehört Ellen Gottschalk zu einem Team aus 23 Lehrkräften, fünf Betreuungskräften sowie Einzelfallhelfern. Diese Gemeinschaft unter Schulleiterin Asami Schulz unterrichtet 75 Schüler.
Seit 1995 unterrichtet Ellen Gottschalk in Wittstock
Ellen Gottschalk arbeitet seit dem Schuljahr 1994/1995 an der Mosaikschule, ist Klassenlehrerin und begleitet die Kinder über einen Zeitraum von acht bis neun Jahren. Sie unterstützt ihre Schüler bei ihrer Persönlichkeitsentwicklung auf dem Weg ins Leben.
Die Kinder und Jugendlichen der Mosaikschule haben unterschiedlichen Förderbedarf. Es geht etwa um körperliche Einschränkungen, genetisch bedingte Erkrankungen, Epilepsie, Autismus, Wahrnehmungsschwierigkeiten oder psychische Verhaltensauffälligkeiten.
„Musik bietet einen ganzheitlichen Ansatz, auch für die anderen Fächer“
Ellen Gottschalk unterrichtet Musik und leitet die Musik-Arbeitsgemeinschaft. „Ich wollte immer möglichst individuell und ganzheitlich mit Schülern arbeiten“, sagt sie über ihr Lehr- und Lernkonzept. Der Musik räumt sie dabei ein weites Feld im Unterricht ein. „Musik bietet einen ganzheitlichen Ansatz, auch für die anderen Fächer“, sagt die Pädagogin. Dabei lassen sich unterschiedliche Themen gut verbinden, etwa Sachkunde, Zahlen und Buchstaben.
Musik gehört von Kindheit an zu den festen Größen in Ellen Gottschalks Leben. Klavierunterricht und das Singen im Schulchor gaben bei ihr schon früh einen festen Takt vor. Mit Beginn der 9. Klasse wechselte Ellen Gottschalk von Wittstock an eine Spezialklasse Musik in Potsdam und legte 1982 das Abitur ab. „Dort habe ich ein Gemeinschaftsgefühl kennengelernt; der Chor und meine Klasse haben mich geprägt“, erinnert sie sich. Ellen Gottschalk studierte anschließend Pädagogik für Musik und Deutsch in Potsdam. „Mein Wunschberuf“, sagt sie.
1987 begann sie ihre Laufbahn als Lehrerin in Parchim, dann folgten Wittstock und Heiligengrabe. Vor 30 Jahren kam sie an die Mosaikschule in Wittstock. Mit dem Aufbau der Schulen mit dem sonderpädagogischen Schwerpunkt geistige Entwicklung Anfang der 1990er Jahre sah Ellen Gottschalk „einen großen Gestaltungsraum.“ Deshalb studierte sie auch noch Sonderpädagogik.
Was das Konzept des Musiktheaters ausmacht
Das Musiktheater ist untrennbar mit Ellen Gottschalks Namen verbunden. Sie entwickelte das Konzept vor mehr als 25 Jahren mit einer Kollegin. Lieder, Geschichten, Dialoge und Tänze fügen sich jedes Jahr wie Mosaikteile zu einer einstündigen Darbietung. Geschichten oder Märchen sind das Grundgerüst; hinzu kommen eigene Texte und Kompositionen aus der Feder von Ellen Gottschalk. Sie begleitet die Aufführungen am Klavier und mit Gitarre.
„Es ist ein Gesamterlebnis für die Schule, deshalb versuchen wir, alle Schüler einzubeziehen“, sagt Ellen Gottschalk. Über Monate wird in jeder Klasse für den Auftritt geprobt. Wiederholungen festigen das Wissen bei den Mosaikschülern, auch beim Musiktheater. „Das wird nie langweilig, bei den Schülern prägt sich das gut ein“, sagt sie.
Für Ellen Gottschalk ist es immer wichtig, „im Unterricht das Ganze im Auge zu behalten.“ Das Musiktheater bietet die Chance, die Schüler ganzheitlich zu unterstützen. Musik, Bewegung und Rhythmus fördern die Sprache und das Verständnis der Schüler.
„Wir haben den Mut, es zu versuchen. In jedem Schüler steckt ein Potenzial“
„Wir haben den Mut, es zu versuchen. In jedem Schüler steckt ein Potenzial“, lauten Ellen Gottschalks Leitsprüche. „Es hängt immer auch von der Stimmung und Tagesverfassung der einzelnen Schüler ab, ob beim Auftritt alles so umgesetzt werden kann wie geplant“, sagt sie. Und: „Alle Lehrer, Betreuungskräfte und Einzelfallhelfer machen mit, damit das Musiktheater gelingt.“ Requisiten basteln, Kostüme nähen, dass alles ist auch Teamarbeit.
Jeder Schüler erhält nach seinen Fähigkeiten eine Rolle. Mitunter schlüpfen Schüler ausschließlich in die Zuschauerrolle. „Es geht darum, dass sie das Musiktheater sehen. Auch so sind sie dabei“, sagt Ellen Gottschalk. Sich zurücknehmen, Ruhe ausstrahlen und dabei den Blickpunkt ganz auf den Auftritt der Schüler lenken, das gehört für Ellen Gottschalk zum Grundverständnis ihrer Arbeit.
Das Gemeinschaftsgefühl trägt alle
„Wir fördern die besonderen Stärken unserer Schüler“, sagt die Pädagogin. Und: „Die Kinder und Jugendlichen merken, dass wir etwas gemeinsam machen. So, wie die Schüler beim Musiktheater mitmachen, merken wir, dass dieses Gemeinschaftsgefühl sie alle trägt.“ Längst laufen die Proben für das nächste Musiktheater. Am 4. April erlebt das Stück „Familientag“ seine Premiere in der Mosaikschule.
Ellen Gottschalks Auszeichnung mit dem Deutschen Lehrkräftepreis war zunächst als Ausnahme gedacht. Inzwischen gab es aber eine Regeländerung in der Wettbewerbsordnung. Somit ist diese Ehrung fortan auch für Schulen mit Förderschwerpunkt geöffnet.
Ein Lehrer von einer Förderschule in Bayern meldete sich nach Ellen Gottschalks Prämierung bei der Mosaikschule. „Er bedankte sich, dass damit eine Tür aufgestoßen wurde“, sagt Schulleiterin Asami Schulz. Auch sie sieht in der Auszeichnung eine Aufwertung der Förderschulen. Denn „wir sind auch hier“, sagt Asami Schulz. Und: „Die Auszeichnung ist der Verdienst für Ellen Gottschalks Lebenswerk.“
Der Deutsche Lehrkräftepreis:
Diese Auszeichnung soll die öffentliche Wertschätzung und das Image des Lehrberufs erhöhen. Der deutsche Philologenverband und die Vodafone-Stiftung Deutschland initiierten den Deutschen Lehrkräftepreis im Jahre 2009. Letztere übertrug 2020 die Trägerschaft an die Heraeus-Stiftung, die sie bis heute innehat.
Bei der Wettbewerbsrunde 2023 wurden im April 2024 neben den zehn Lehrkräften auch drei Schulleitungen und fünf Lehrkräfte-Teams aus insgesamt zwölf Bundesländern für ihre herausragenden Leistungen ausgezeichnet. Die Mosaikschule in Wittstock hatte 2023 Ellen Gottschalk für den „Deutschen Lehrkräftepreis – Unterricht innovativ“ nominiert. Zuvor hatten ehemalige Schüler und deren Eltern sie dafür vorgeschlagen.