
“Wir wollen die Region weiter sichtbar und noch attraktiver machen”
Der Temnitzer Amtsdirektor Thomas Kresse im Gespräch über Investitionen, Prioritäten für junge Familien, Zukunftspläne und den Wirtschaftsstandort Temnitzpark



Herr Kresse, viele Leserinnen und Leser wissen, dass das Amt Temnitz zur „Kommune des Jahres 2021“ gewählt worden ist. Inwiefern ist das Motivation für Sie und Ihre Kollegen bei der täglichen Arbeit und mit Blick auf die Entwicklungen der Zukunft?
Die damalige Auszeichnung war ein großer Erfolg, weil sie gezeigt hat, dass der ländliche Raum eine Chance hat. Dabei ging es weniger um eigene Eitelkeiten der Temnitz-Gemeinden, sondern darum zu zeigen, dass der ländliche Raum eine eigene DNA besitzt und für etwas stehen kann. Wir hatten damals außergewöhnlich viel Zuzug und tolle Projekte, die durch viele engagierte Menschen vorangetrieben wurden. Das hat uns motiviert und einen Spirit geschaffen, der uns bei weiteren Projekten geholfen hat. Dass wir dann im gleichen Jahr durch das Kulturministerium zum “Kulturanker Brandenburg” ernannt wurden, war natürlich großes Lob für die Kulturschaffenden im ländlichen Raum. Mir ging und geht es immer darum, Erfolge der Region – die nur gemeinsam erreichbar sind – sichtbar zu machen.
Der Masterplan Amt Temnitz 2022 bis 2026 steht kurz vor dem Abschluss, darin ging es um weitreichende Investitionen. Welche Projekte konnten bereits erfolgreich umgesetzt werden und worauf können sich die Bürgerinnen und Bürger noch freuen?
Der Masterplan des Amtes Temnitz war eine wichtige Entscheidung, die durch den Amtsausschuss befürwortet und als Chance erkannt wurde. Der Plan strukturierte die verschiedensten Investitionsnotwendigkeiten im Bereich der Pflichtaufgaben: Kita, Schule und Feuerwehr. In diesem Zeitraum ist es unter anderem gelungen, beide Schulhöfe der Grundschulen in Wildberg und Walsleben zu sanieren, eine neue Kindertagesstätte zu bauen und mehrere Feuerwehrfahrzeuge anzuschaffen.
„Es wurde viel Geld investiert, was für kleine Kommunen nicht immer einfach ist“
Es wurde viel Geld investiert, was für kleine Kommunen nicht immer einfach ist – von der finanziellen Seite her sowie von der personellen Power in der Bauverwaltung. Erfreulich ist heute die Erkenntnis, dass sich die finanzielle Situation trotz der Belastung, die durch die Gemeinden gestemmt wurde, positiv entwickelt hat. Der addierte Bankbestand der Gemeinden hat sich trotz der Investitionen deutlich erhöht. Als Verwaltung würden wir deshalb gern an dem Instrument des Masterplans festhalten und für die Folgejahre ab 2026 mit dem Amtsausschuss weitere Maßnahmen abstimmen. Aufgaben und Investitionen gibt es noch genug.
Das Amt Temnitz investiert gezielt in Bildung und Infrastruktur. Welche positiven Veränderungen konnten etwa durch die Sanierung der Schulhöfe in Wildberg und Walsleben erreicht werden, die Sie gerade erwähnt haben?
Das Amt Temnitz leistet sich ab 2026 weiterhin vier kommunale Kindertageseinrichtungen, zwei Horteinrichtungen sowie zwei Grundschulen in eigener Trägerschaft. Darüber hinaus sind zwei weitere private Kita-Angebote, nämlich ein Naturkindergarten und eine Sparkassen-Kita, in kooperativem Miteinander entstanden. Diese flächendeckende Versorgung ist aus meiner Sicht eine Gelingensbedingung für den ländlichen Raum. Familien, die in den ländlichen Raum ziehen, bevorzugen kleinere Schulen mit kleineren familiären Klassen oder eben auch besondere Konzepte wie den Naturkindergarten oder die Naturschule in privater Trägerschaft. Mit den Investitionen in die Schulen und Kitas wollen wir die Lernumgebung verbessern und Eltern ein Angebot unterbreiten.
„2019 hatten wir 199 Schülerinnen und Schüler, heute sind es über 300.“
Das zeigen die beiden neuen Schulhöfe in Walsleben und Wildberg in besonderer Weise. In diesem Jahr sollen zudem die Sporthalle Wildberg und ab 2026 das Gebäude der Grundschule Walsleben energetisch saniert werden. Mit einer 360-Grad-Ansicht auf unserer Website können sich unserer Eltern bereits im Vorfeld über die Gegebenheiten in unseren Einrichtungen informieren. Und die Schülerzahlen geben uns recht. Hatten wir 2019 noch 199 Schülerinnen und Schüler, so sind es im Jahr 2025 bereits über 300.
Die Auszeichnung mit dem Naturschutzpreis des Landes Brandenburg unterstreicht das Engagement für eine nachhaltige Entwicklung. Welche Projekte haben zu dieser Ehrung beigetragen und wie profitieren Natur und Bevölkerung davon?
Was mich früh in meiner Amtszeit angetrieben hat, war die Frage, was die Gemeinden des Amtes Temnitz ausmacht und was sie sein könnten. Im ländlichen Raum kommt man unweigerlich zu der Erkenntnis, dass das die Natur und der sanfte Naturtourismus ist, gepaart mit einem starken Kultur- und Vereinsleben. Auch bei der Bewerbung zum Naturschutzpreis ging es darum, die Temnitzregion weiter sichtbar zu machen und einen Markenkern zu entwickeln. Wir werben mit der Auszeichnung und nutzen Synergien für Veranstaltungen, etwa für den Temnitzer Heidelauf in der Kyritz-Ruppiner Heide, der sich konzeptionell eben auch an Naturschutzkriterien orientiert.
„Wir haben mehr als eine Million Euro für die Renaturierung von Kleinstgewässern investiert.“
Honoriert wurde zudem vor allem das Engagement vieler einzelner Initiativen und Akteure, die sich mit der Renaturierung von Kleinstgewässern, Baumpflanzaktionen oder mit der ökologischen Landwirtschaft befasst haben. Das Amt Temnitz hat in den vergangenen Jahren mit einer einhundertprozentigen Förderung aus dem Naturschutzfond mehr als eine Million Euro für die Renaturierung von Kleinstgewässern investiert und dazu mit den Partnern Wanderwege angelegt und nach modernen Standards beschildert. Auch das Literaturstipendium im Bereich des „nature writing“ gehört dazu. Hier entsteht jedes Jahr Literatur von der Temnitz, die sich speziell der Natur widmet.

Apropos Kyritz-Ruppiner Heide: Mit dem Temnitzer Heidelauf setzt das Amt auf naturverträglichen Tourismus. Wie wird dieses Angebot angenommen und welche neuen Entwicklungen sind geplant?
Der Temnitzer Heidelauf hat sich – dank unserer Sponsoren wie der Sparkasse, E.dis, das DRK und der Rheinsberger Preussenquelle hervorragend entwickelt. Insbesondere die Sparkasse OPR hat von der ersten Minute an den Erfolg der Veranstaltung geglaubt. Die letzte Veranstaltung 2024 fand unter dem Motto „Brandenburg zu Gast bei uns“ statt. Dazu hatten der Landrat und ich viele Brandenburger Kommunen eingeladen. Insgesamt waren am Ende 20 Brandenburger Kommunen am Start, die sich teilweise auf das schwere und herausfordernde Geläuf der Marathondistanz begeben hatten, darunter die Gemeinde Wandlitz, die Stadt Wittenberge, die Stadt Fürstenwalde, aber auch das Amt Plessa aus dem Süden Brandenburgs. Besonders witzig war, dass mein Amtskollege aus Plessa, Amtsdirektor Göran Schrey, mit einer super Marathonzeit von 3:22 Stunden ins Ziel kam und den Marathon gewann. Überhaupt haben uns viele Teilnehmer die Besonderheit des Laufs zurückgemeldet und angekündigt, wieder zu kommen. Als jemand, der die Marathondistanz selbst in der Heide gelaufen ist, kann ich bestätigen, dass dieser Lauf mit einem Berlin- oder Hamburg-Marathon nicht vergleichbar ist. Der Lauf ist mittlerweile auch ein Wertungslauf im Prignitz-Cup und soll verstetigt werden. Wir träumen immer noch von einem Heide-Cup – also von mehreren Wertungsläufen in den verschiedenen Heideregionen Deutschlands.

Der Temnitzpark hat sich zu einem bedeutenden Wirtschaftsstandort entwickelt. Nach der Vermarktung des letzten verfügbaren Baufeldes gibt es Überlegungen für die Erweiterung des Temnitzparks. Wie ist der Stand der Dinge?
In den vergangenen Jahren hat die Entwicklungsgesellschaft Temnitz mbH, deren Geschäftsführer ich sein darf, mehr als 40 Hektar Industrie- und Gewerbefläche veräußert. Viele Verkäufe sind bereits in der Realisierung oder die Bauphase beginnt demnächst.
„Es ist uns gelungen, den Wirtschaftsstandort A24 sichtbarer zu machen.“
Dabei hatten wir es mit nationalen und internationalen Akteuren zu tun, aber auch mit regionalen Familienunternehmern, die im Temnitzpark wachsen wollten. Es ist uns gelungen den Wirtschaftsstandort A24 sichtbarer zu machen – was ein ganz entscheidender Punkt für die Wirtschaftskraft im Landkreis ist. Auch Neuruppin, Wittstock und Fehrbellin machen hier ihre Hausaufgaben und haben mit bestimmten Vorhaben bereits Planungsrecht erreicht oder befinden sich in sehr konkreten Planungen. Dieses Engagement ist nur zu loben und zu unterstützen. Von wirtschaftlicher Stärke kann schließlich die gesamte Region profitieren. Leider lädt das aktuelle Umfeld – auch bestimmt durch politische Rahmenbedingungen – aktuell nicht besonders zu Investitionen ein. Wir spüren das sehr deutlich bei Gesprächen mit Investoren oder Unternehmern, die für Ansiedlung oder Erweiterung sehr zaghaft und eher auf „on hold“ eingestellt sind.
Was erhoffen Sie sich von der Bundespolitik, um das zu ändern?
Sie muss dafür Sorge tragen, dass die Bedingungen für Wachstum und Investitionen endlich besser werden. Was wir vor Ort tun können, ist die Vorbereitung auf genau diese Zeit. Springt die Wirtschaft wieder an, benötigen wir geeignete Flächen und Planungsrecht für Investitionswillige. Der Temnitzpark 2.0 kann – neben vielen anderen Projekten im Landkreis – eine Chance bieten. Daher sind wir demnächst auch mit dem neuen Wirtschaftsminister, Daniel Keller, verabredet, um diesen vom A24-Wirtschaftsstandort und vom Nordwesten Brandenburgs zu überzeugen.
Die aktive Mitgestaltung durch die Bürgerinnen und Bürger ist ein wichtiger Faktor für den Erfolg einer Region. Welche Möglichkeiten gibt es, sich in die Entwicklung der Kommune einzubringen?
Sich selbst einzubringen, ist für eine funktionierende Gesellschaft wichtig. Weniger meckern, weniger Social-Media-Kommentare und dafür mehr anpacken, könnte uns als Gesellschaft helfen. Natürlich muss man das Engagement der Bürgerinnen und Bürger und unterschiedliche Haltungen zulassen. Als bei mir vor einigen Jahren Kinder an der Gartentür standen und sich einen kleinen Skaterpark gewünscht haben, habe ich den Kindern erklärt, wie sie vielleicht zum Erfolg kommen. Am Ende haben die Kinder mit ihren Eltern ihr Vorhaben im Gemeinderat vorgestellt und der kleine Skaterpark konnte gebaut werden. Natürlich ist das der Idealfall und nicht immer geht alles.