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IN lesung 8 düffel 1
Ein reizvoller Ort, um über Mensch, Welt und Komsumwelt zu reflektieren.

Bewusster leben, das richtige Maß finden – oder: der Geist der Fiona

11.09.2025 | Volkmar Heuer-Strathmann |

Die Erdkugel vor dem REIZ, ob das was wäre für Fiona? “I want to sit on a stone and think”, hatte sie verlautbaren lassen. Ihre gelebte Lebensphilosophie als Botschaft für die Konsumgesellschaft? Noch ist sie nicht da, die Reizfigur. Noch musste man sich mit John von Düffel begnügen, der in der Fontane-Buchhandlung aus seinem Fiona-Buch “Ich möchte lieber nichts” las. Otto Wynen moderierte.

Die sehr gut besuchte Lesung fand im Rahmen des Europäischen Literaturfests Brandenburg statt. Man kooperierte nicht nur mit der Buchhandlung, sondern auch mit dem Aktionsbündnis “Klima und Alltag”. Schließlich geht es bei von Düffel darum, wie er selbst vorab sagte, “das richtige Maß zu finden”. Schon in dem Werk “Das Wenige und das Wesentliche” (2022) hatte er von Fiona erzählt, jener schottischen Studentin der Philosophie, die er tatsächlich als junger Kommilitone vor Jahrzehnten in Edinburgh kennen gelernt hatte. Dass ihr Konsumverzicht nicht aus freien Stücken entstand, wurde am Ende durch Fragen aus dem Publikum offenbar. Da klang, was Otto Wynen einleitend über den Protest junger überwiegend wohlversorgter Intellektueller um 1970 in der BRD gegen den “Konsumterror” erwähnte, doch ganz anders. Als Arbeiterkind hätte sie womöglich den Menschen, die in der DDR aufwuchsen, mehr zu sagen als ehedem Wohlstandsverwahrlosten mit Lust auf Revolte.

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Um Klarheit und Gedankentiefe bemüht: Otto Wynen und John von Düffel.

John von Düffel legte den Schwerpunkt auf Befindlichkeit und Seelenkunde, nicht auf Umweltethik und persönliche Schadstoffbilanz. Fiona hat über weite Strecken das Wort. In den Mittelpunkt gerät die Polarität von “Solidair” und “Solitair”. Illusionen bürgerlicher Sozialisation wurden gleich miterledigt. Dass zwischen Einsamkeit und Alleinsein klar unterschieden werden müsse, wurde zu bedenken gegeben. John von Düffel widerspricht nicht. Es lohnt sich, sein Werk sehr gründlich zu studieren, gerade weil er “auf keinen Fall ein Manifest” verfassen wollte. Hat er auch nicht. Sein Besuch in Edinburgh, das Wiedersehen der “Outsider” war eben nicht von der Art eines “Ehemaligentreffens”, wo primär Image gepflegt wird mit Lebensstandard, Berufsweg und Statusstichworten. Wie einst werden Zettel geschrieben. Anders als einst können die Gedanken fotografiert und gesendet werden. Im Buch ist alles Fließtext. Kein Foto von Fiona, keine Abbild ihrer Handschrift. Vorstellungskraft ist gefragt. Und Gedankentiefe. Die Grundlage liefert der Autor.
Fiona identifiziert sich mit Janis Joplin. Die Rockikone sei auch gemobbt worden. Sie wurde sehr laut, war sehr wagemutig. Fiona wirkt dagegen eher introvertiert. Aber auch radikal individuell. Und interessant. Käme sie mal nach Neuruppin, würde Otto Wynen sie gewiss in den Politischen Salon einladen. Bücher geschrieben habe sie nicht, sagt von Düffel. Schade eigentlich. Sie schreibt so interessante Sätze: “Am liebsten hätte ich nur noch im Lesen gelebt.” – “Ich wollte dort sein und bleiben, wo ich am meisten ich bin, in meinem persönlichen Panikraum.” Flucht und Suche fließen ineinander, das weiß sie.
Karl Friedrich Schinkel war übrigens vor fast genau 200 Jahren auch in Edinburgh. Bei “Fontane” sprach man lieber über Fontane und die Geburt der Idee in Schottland, bald irgendwas mit märkischen Wanderungen zu machen. John von Düffel wandert anders, dringt tiefer ein. Vielleicht fehlte Fontane ein Fionaerlebnis. Aber war Emilie nicht auch ein bisschen Janis Joplin?

Fotos: vhs