
Caroline Wahl kam mit “Die Assistentin” sehr gut an
Große Aufmerksamkeit, immer wieder Heiterkeit, am Ende anhaltender Applaus und schließlich ein reges Kaufinteresse – Caroline Wahl wird sich gerne an ihre Lesung in Neuruppin aus ihrem Roman “Die Assistentin” erinnern. Und so versprach sie denn auch: “Ich komme wieder.” Tatsächlich war es ihr gelungen, durch geschickte Textauswahl, eine flotte Lesart und einige kesse Bemerkungen einfach gut anzukommen. Frauen waren an diesem Abend eindeutig in der Mehrheit.
Mascha Kaleko ist einst mit ihrem Gedicht “Mannequins” auffällig geworden. “Die Beine, die sind uns Betriebskapital und Referenzen”, ist eine Frauenstimme zu hören. Die schlichte Oberflächlichkeit, die bloße Gefälligkeit, all das und noch viel mehr wird kokett durchbrochen. Eine Seite reicht. Das sitzt. Kokett ist auch der Auftritt von Caroline Wahl. Auf keinen Fall will sie im Literaturbetrieb als Autorin kleingemacht werden, nur weil “Die Assistentin” anders funktioniert als “22 Bahnen”. Wahl machte keinen Hehl daraus, dass es Kritik hagelt in den Feuilletons. Ein freundinnenhaft verfasster Beitrag in der “Zeit” gibt ihr etwas Trost. Viel Kraft muss ihr der Aufenthalt im Hotel in Neuruppin gegeben haben. Sie schwärmt geradezu. Das Salzbad, ein Traum. Die Stimmung am See, ein Gedicht. Vorher Braunschweig, danach Magdeburg – da ist Neuruppin natürlich ein Glückfall.
Dass das Leben ihrer Protagonistin Charlotte Scharf kein Einzelschicksal ist, bleibt Wahls feste Überzeugung. Fasst man “Assistentin” weit und schaut mit der Erzählerin auf den Alltag in jenem Verlag, wird man nur zustimmen können. Sekretärinnen aus aller Welt werden sie anbeten. Ein gestörter Chef, der gerne stört, das aber nicht spürt, paar konkurriende Kolleginnen, Aufgaben ohne Ende, eigenwillige Kommunikationsformen, ständige Kündbarkeit, permanente Reizbarkeit und dann auch noch Zudringlichkeit, all das ist zu hören, ist mitzuerleben. Die Art, wie Wahl diese Dialoge liest, hat Wirkung. Kürzel bestimmen das Verlagsleben. Spricht der Chef Ugo Maise, sagt sie, wie er’s mag, wie er’s macht vorab: “mu”. Und das bei einem Hornochsen. Seitenweise. Seine Untergebenen haben ein Handbuch. Er erwartet, dass man sich daran orientiert.

Wahl liest sogar die Passage, in der Zweifel formuliert werden von der Erzählstimme, ob es nicht allmählich reicht. Novellenlänge, mehr nicht! Richtig! Und in Neuruppin gab es genau das, was unverzichtbar sein dürfte. Eine erheblich gekürzte Fassung als Neuauflage, das wäre mal was Neues in der Bücherwelt. Und bei Lesungen sagt Wahl dann: “In Neuruppin wurde mir das plötzlich klar.” Weg von epischer Länge, hin zu pointierter Kürze, keine schlechte Inspriration in der Fontanestadt. Und von Mascha Kaleko gibt’s dann für die Millionen Assistentinnen der digitalen Welt mit Hinterwäldlern wie “mu” als Leitwort: ”Wir müssen trotzdem, weil’s die Kundschaft verlangt, das sorglose Püppchen machen.”
Fotos: vhs