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IN wahl lesung
Foto: vhs

Caroline Wahl mit “Die Assistentin” zu Gast in der Fontanestadt

06.09.2025 | Volkmar Heuer-Strathmann

Seit Monaten führt In Neuruppin kaum ein Weg an Caroline Wahl vorbei. Ihre Lesung aus “Die Assistentin” am 8. September im Kulturhaus war schon früh auf den Litfaßsäulen angekündigt worden. In einem Gespräch mit einer Lokalzeitung hat die junge Autorin kurz vor Erscheinen des Werks eingeräumt, diesmal mit viel Kritik zu rechnen. Da liegt sie richtig. Ob den beiden Bestsellern “22 Bahnen” und “Windstärke 17” ein dritter folgt? Vermutlich. Denn selbst Verrisse können das Geschäft beleben.

Charlotte Scharf, die Protagonisten, hat ein Problem. Das weiß sie. Die Autorin nennt es “Vater-Komplex”. Von Anerkennung um (fast) jeden Preis wäre zu reden. Als Assistentin in einem nicht näher benannten Münchener Verlag hat sie es mit einem Chef zu tun, der viele Probleme hat. Ugo Maise heißt er. Die Autorin, die selbst beim Diogenes Verlag tätig war, legt Wert darauf, dass dieser krasse Problemfall nicht auf das eigentlich recht angesehene Haus in Zürich reduziert wird. Wie die schwierige Autorin diese lächerliche Figur präsentieren wird in Neuruppin, dürfte wichtig sein für die Resonanz. Sein Handbuch für den Hausgebrauch – eine Realsatire, seine Neigung zu Kürzeln und Neologismen – ein Hochseilakt bei einer Lesung. Warten wir`s ab, die nicht eben billige Karte ist längst gekauft, das Werk bislang genau bis zur Hälfte gelesen. Leider nicht ohne Enttäuschung.
Wenden wir uns mal der Stimme der Erzählerin zu. Schrecklich altmodisch, also voll postmodern, sucht sie Kontakt zu den Lesenden. Und Hilfe, denn es geht ihr nicht so gut. “Warum eigentlich weitererzählen?”, fragt sie zu Recht, als noch kein Drittel der Endfassung geschafft ist. Eine klare Antwort fehlt. Ankündigungen und Andeutungen sorgen dafür, dass Hoffnung auf Besserung und Verbesserung aufkommt. Stichwort Raffung, eben Straffung. Versuchsweise. Und Öffnung, etwa durch Musik, denn da läge immer noch eine Berufsalternative. Oder durch Liebe, denn da lief leider anscheinend noch nicht sehr viel.
In diesem Verlag redet man nicht über Literatur, zumindest nicht mit Assistentinnen, nicht zu verwechseln mit Lektorinnen. Was Logistik heutzutage ausmacht, wird offenbar, als die gereifte Assistentin Charlotte vor der Aufgabe steht, für den Chef einen Berlin-Trip vorzubereiten. All inclusive. Die andere neue Assistentin ist längst gefeuert worden. Andeutungen legen die Vermutung nahe, dass Maise noch übergriffig werden wird. Und das, nachdem “Bo, der Bär” aufgetaucht ist, eben der Traummann, ein schöner Nordfriese, früher Amrum, nun München.

IN wahl 2
Der Roman über eine “folgenschwere Fehlentscheidung” – preiswürdig?

Man darf gespannt sein, ob das Stichwort Deutscher Buchpreis fällt in Neuruppin. Denn es wird wieder nichts 2025, das weiß man. Caroline Wahl ist sehr enttäuscht, das sagt sie offen im Gespräch mit einem Berliner Redakteur. Dass sie zu einer Zeit in der Fontanestadt liest, in der auch andere neue Werke präsentiert werden, ist Zufall. Wer das ganze Pensum im Fontane-Kosmos schafft, hat gute Vergleichsmöglichkeiten. “Novellenlänge erreicht”, hatte die Erzählerin bei Wahl recht früh konstatiert. Und den Fall von Machtmissbrauch oft gequält locker wirkend erzählend fortgeführt. Nervt ja auch oft, dieser Kulturbetrieb. Die Typen. Die Termine. Und die Fixierung auf Superlative. Das kürzeste Kapitel der “Assistentin”, das zeigt sich beim angefrusteten Herumblättern, lebt übrigens von nur sechs Wörtern. Eins davon ist “Bo”. Aufregend – oder?

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Fotos: vhs