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IN gershwin 2[59]
Gut gelaunt und zuversichtlich: Frank Matthus als Programmchef. I Foto: vhs

Das Brandenburg Reedquintett gab “Gerswin im Park”

20.07.2025 | Martin Schläfke

Klangvielfalt und glanzvolle Lautmalerei in Netzeband.

Ein Hahn ist zu hören. Hochmusikalisch. Er hält Hof. Die ersten Gäste sind schon da. Ein Trekker donnert oben nochmal durchs Dorf. Ansonsten herrscht Ruhe im Park in Netzeband. Als Frank Matthus zur Begrüßung schreitet, haben sich wohl gut fünfzig Gäste versammelt, um “Gershwin im Park” zu erleben. Das erste Open-Air-Sommerkonzert kann beginnen. Ob es noch günstigere Bedingungen gibt für ein Ensemble wie das “Brandenburg Reedquintett” als diese milde Sommernacht ohne Nachglühen?
Mit “Aus Holbergs Zeit” wird eröffnet. Was Edvard Grieg 1884 für Klavier und Streichorchester komponiert hat, wurde von Raaf Hekkema für ein Reedquintett arrangiert. Also keine Violinen, kein Cello. Nur Atem, nur vibriernde Luft, sichere Griffe und beherztes Zusammenspiel. Das ist sehr viel. Und seelennah, so angefasst, so gedankenverloren, so zuversichtlich, so zärtlich, wie die Klänge aus Griegs Welt wirken. Noch schöner wäre es wohl gewesen, wenn nicht nach jedem Satz applaudiert worden wäre. Aber wer wollte das kritisieren, da gute Laune selbst in Netzeband nicht selbstverständlich ist.

Da ist Peter Ernst Michel, der im Verlauf des Abends Oboe, Oboe d‘amore und Englischhorn erklingen lässt. Maike Krullmann hat sich auf Sopran- und Altsaxophon spezialisiert. Mattias Badczong spielt die Bassklarinette. Neben ihm ist Jochen Schneider am Fagott zu hören. Die Klarinettistin Sabina Matthus-Bebie moderiert ein wenig. Sie ist hier beheimatet.

“Le rappel des oiseaux” von Jean Philippe Rameau (1724) wird als Vogelkonzert angekündigt. Die deutsche Sprache hat nicht genug Worte dafür, trotz all der Lautmalerei vom Gezwitscher bis zum Gekrächze. “Geschrei” ist eher eine Notlösung. Lockrufe sind dabei, Zankerei, Gezeter, aber auch Balsam für die Seele, Trost und beschwingte Melodien. Es macht dem Quintett sichtlich Freude, immer wieder harmonisch zusammenzufinden. Politisiert wird nicht hier im Grünen, von wegen Artensterben und Wassermangel.

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Mit dem “Brandenburg Reedquintett” in Gershwins Paris. I Foto: vhs
“An American in Paris” war motivbildend für das Konzert “Gershwin im Park”. Die Geschichte der Komposition aus dem Jahr 1928 und der Filmadaption von 1951 wird nicht aufgeblättert. Man kann das nachlesen. George Gershwin kam als Künstler. Er soll Heimweh gehabt haben. Weltruhm hatte er noch nicht, doch der sollte noch kommen durch den Siegeszug der Musicals und die Wirkmächtigkeit von Musikfilmen. Nichts davon in Netzeband. “Nur” diese fünf Freunde der besseren Blasmusik. Es ist inzwischen fast dunkel. Der Wald wirkt finster, auch der Himmel ist hier von ganz anderer Art als über einer Stadt. Welch ein Glück! “Paris” kann nur imaginiert werden – so ohne Chansons und Akkordeon. Im Künstlerviertel soll Gershwin gewesen sein. “Etwas Tanzmusik gefällig?”, scheinen die Musierenden zu fragen. Im Menschengewimmel stecken sie, man spricht gewiss Französisch und man fährt, wenn man kann, seit 1919 Citroen oder was Älteres von Peugeot. Peter Ernst Michel glänzt am Englischhorn. Gershwin konnte, so erzählt man, bei der Uraufführung Autohupen aus Frankreich zum Einsatz bringen. Hier am Waldesrand hupen alle, wenn’s sein muss. Ein kurzes Tröten, dann wieder das weit ausströmende betörende Flöten der Klarinetten, die Sehnsucht am Saxophon. Und Oboenlaute wie aus der Tiefe des Waldes. Die Nacht fängt ja erst an. Es darf geflirtet werden mit dem Glück und geträumt. Rauschender Beifall zeigte, wie gut diese Nachtmusik ankam. Schade, dass nicht mehr Menschen den Weg nach Netzeband fanden.