
Ein kritischer Blick auf die Neuruppiner Bilderbogen
„Die Angaben können nicht unabhängig überprüft werden.“ Schon mal gehört? Schon mal gelesen? Eine solche Aussage, die vom Ringen um Solidität und Objektivität zeugt, war noch nicht üblich, als die Neuruppiner Bilderbogen erschienen zum südafrikanischen Burenkrieg, der von 1899 bis 1902 währte. Dass reichlich Anlass dazu bestanden hätte, zeigt die 2023 in der Edition Bodoni veröffentlichte Untersuchung von Ulrich van der Hayden. Ein erster Blick auf das Bildmaterial lässt schon staunen.
„Ein kühner Streich der Boeren“, titelt man in Neuruppin in der üblichen Schreibweise, als die Meldung einlief von der kühnen Einnahme einer britisch dominierten Bahnstation samt Güterzug und Personenzug. Die feindlichen Lokomotivführer wurden am Ende veranlasst, ihre Züge ein gutes Stück zurückzusetzen und dann „mit voller Gewalt aufeinander losfahren zu lassen“. Und sie selbst? Tot? Im Kriegsfalle sei solche „erheiternde Weise“ vollkommen gerechtfertigt, heißt es im Untertext aus dem Jahr 1899. Die Illustration ist drastisch, man hat längst Partei ergriffen für die Buren, vermutlich – so van der Hayden – schon wegen der Übermacht der Briten in Südafrika. Die Kolonie Deutsch-Südwestafrika war schließlich nicht weit entfernt.

Der an der Universität von Pretoria lehrende Historiker und Politologe bezieht die grundsätzliche Problematik jeder Art von Kolonialismus ein, ebenso das völkische Denken in Deutschland über Freund und Feind. Eine Karte gibt Orientierung, ein Glossar bietet Sachinformationen, etwa zu Orten und Personen, greift aber auch ethische Fragen kurz auf. Was „Republik“ 1899 meint, wenn es um Transvaal und Oranje Freistaat geht als Burengründungen, hätte sicher noch näher beleuchtet werden können. Aber das südliche Afrika jener Jahrzehnte ist eben auch ein weites Feld.
Theodor Kohlmanns Beitrag „Der historische Rang von Bilderbogen“ verdeutlicht den Stellenwert dieses Mediums, das auf besondere Weise mit Neuruppin verbunden ist. Der 2011 verstorbene ehemalige Direktor des früheren Museums für Deutsche Volkskunde weiß um den Verbreitungsgrad von Bilderbogen seit Mitte des 19. Jahrhunderts, warnt aber vor Übertreibungen, wie er sie etwa bei Theodor Fontane als Sohn der Region sieht. Ein leicht ironischer Ton könnte hier übersehen worden sein.

Die Bilder selbst – allesamt vom Neuruppiner Stadtmuseum zur Verfügung gestellt – zeigen eine Erfolgsgeschichte. Also weniger als die halbe Wahrheit. Die meisten Darstellungen stammen aus den Produktionsstätten von Gustav Kühn oder von Oehmigke & Riemenschneider. Von schweren Niederlagen der Buren wird nicht mehr berichtet, vom Sieg der Briten erst recht nicht. Die Afrikaner, von denen nicht wenige in den heillosen Krieg einbezogen wurden, werden auf den Bilderbogen mit keinem Strich beachtet. An Schwarzmalerei realistischer Art bestand kein Interesse. Zur Kulturgeschichte der hiesigen Region gehört auch, dass die beiden Restblätter das hier Vorstehende nicht für berichtenswert hielten. Vielleicht sind die journalistischen Anprüche auch einfach höher…
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Bilder: Fotoreproduktionen aus dem Werk; dortige Quelle: Museum Neuruppin