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IN bach swinging 1
Lebensfreude pur: Susanne Ehrhardt und Rudolf Hild in ihrem Element.

Ein virtuoser musikalischer Einblick in “Gottes Sommer”

05.09.2025 | Volkmar Heuer-Strathmann

Es ist immer noch Sommer. Es gibt Sommerkonzerte. Die Menschen strömen herbei. “Bach and Swinging Friends” soll es geben in der Klosterkirche. Doch ehe Susanne Ehrhardt und Rudolf Hild die “Romanze” von Dimitri Schostakowitsch anstimmen, sind aus der Gemeinde Verse von Dorothee Sölle zu hören. Es gibt Gelächter. Dabei gehörte die politische Protestantin doch zu den ernsthaftesten Pazifisten im Kampf gegen die Aufrüstung im gespaltenen Deutschland. Ein Fehlgriff, ehe jeder Ton stimmte? Im Gegenteil!

Um “Gottes Sommer” geht es Dorothee Sölle. Er werde kommen. Ganz gewiss. Aber wann? Wann “werden wir viel zu lachen haben und Gott wenig zum Weinen”? Derzeit eher nicht. Also warten? Trübsal blasen? Nein! Lieber jetzt schon allen Klarinette spielenden Engeln und allen quakenden Fröschen “helfen beim Lobe Gottes”! Das Duo erwies sich als Idealbesetzung. Die Lacher galten dem Gequake. Aber was bleibt Fröschen? Schreiben können sie auch nicht.

Rudolf Hild und Susanne Ehrhardt haben Georg Friedrich Händel und Georg Philipp Telemann im Repertoire. Sie bringen uralte Kompositionen aus Frankreich und Italien mit. Doch ihr Spiel lässt an ganz junge beschwingte Stimmen denken, es gibt Vogelgezwitscher und unbändige Fröhlichkeit. Für lange Erläuterungen ist nicht die Zeit. Hild hat die Werke arrangiert, Ehrhardt brilliert. Er gibt den Begleiter, legt den melodischen Grund und lässt es nur im Ausnahmefall mal ganz kurz dröhnen an den Tasten des Elektropianos.
Eine Frau als Konzertheldin – das allein hätte Dorothee Sölle schon gefallen. Gott hatte es möglich gemacht, die unterschiedlichsten Flöten so zu bespielen, als gäbe es keine Zerrungen, keine Gelenkschmerzen – nur Leichtigkeit, nur Geschwindigkeit und virtuose instrumentale Sicherheit. Man gibt “Alla rustica” und “La caccia” von Antonio Vivaldi. Man hört die “Lieblichsten Blicke” von Johann Sebastian Bach. Die Instrumente sollen sprechen. Nein: singen! Das Auditorium antwortet mit begeistertem Applaus. Bloß kein Gequake in den Reihen, kein Gerede oder Gezicke! Über Sölles Ökolyrik kann man später noch sprechen, von wegen Konsumidiotie und Straßenkampf statt schöpferischer weltumspannender Harmonie.

IN bac swinging 2
Kein Froschkonzert: das Duo zaubert Wohlklang und Seligkeit in die Kirche.

Rudolf Hild ist auch Komponist. Seine Instrumentalnummer “Happy, Lucky und Funny” durfte nicht fehlen. Getanzt wird nicht zur Happy-Hour-Musik, nur genickt oder leicht gewippt. Und wenn der “Marsch des Zaren” von Louis Cax d’Herveloise erklingt, bläst Susanne Ehrhardt nicht zum Marsch in den Krieg. Das klänge anders. Eben mannhaft. Getröte statt Flöte! Das wäre schrecklich. An Tanz und Geselligkeit darf gedacht werden, an eine Harmonie, wie sie dieses Paar selbst verkörpert. Beide strahlen immer wieder im Altarraum. Zum Sommer Gottes gehört so viel Glück – vielleicht auch im Auditorium.
Erst ganz am Ende, nach dankbarem Applaus, dem fälligen Blumenstrauß und der wohltemperierten Zugabe, durften die Smartphones wieder eingeschaltet werden. Klar, dass die Messages gleich rausgehen. “Erster Gedanke: Musiklehrerin!” Oder einfach nur: “Himmlisch!”

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Fotos: vhs