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Celan BachmannLesung
Nach der Darbietung: Frank Matthus und Johanna Spitzer (Foto: Volkmar Heuer-Strathmann)

Fontane Kosmos: Was sich Paul Celan und Ingeborg Bachmann einst schrieben…

09.06.2025 | Volkmar Heuer-Strathmann

Im Alten Gymnasium Neuruppin erwecken Johanna Spitzer und Frank Matthus bei einer Lesung die Briefe von Ingeborg Bachmann und Paul Celan – ein leises Drama großer Worte.

Mai 1948. Österreich. Wien. Besatzungszeit. Zufälle. Ingeborg Bachmann lernt Paul Celan kennen. Ob das überlieferte Foto ihr Lebensgefühl zeigt? Auf jeden Fall ist im Rückblick immer wieder von diesem Kennenlernen die Rede. Und sie saßen ja nur hinter einer Flugzeugattrappe.
Frank Matthus und Johanna Spitzer stellten ein paar Informationen über den in Czernowitz geborenen jüdischen Lyriker (Jahrgang 1920) und die ursprünglich aus Klagenfurth stammende Lyrikerin (Jahrgang 1926) an den Anfang ihrer Lesung im Alten Gymnasium. Fontane Kosmos hatte eingeladen und zahlreiche Gäste lauschten den beiden stimmsicheren Akteuren.

Mit gutem Gespür waren Briefpassagen oder ganz kurze Briefe ausgewählt worden, die mitten hineinführten in diese wechselvolle Beziehung. Verse vom Feinsten waren auch zu hören. Sie sind verliebt. Sie sind anspruchsvoll. Sie sind sensibel. Wortkunst ist ihr Metier.
Die Welt ist aus den Fugen. Immer noch. Und noch lange. Celans nächste Angehörige fielen den Verbrechen der Nazis zum Opfer. Bachmanns Vater war aktives Mitglied der NSDAP auf östereichischem Boden. Politisch sehr interessiert, etwa an Nachkriegsfragen, sind die beiden doch frei genug, aufs Herz zu hören, um es einmal streng kardiologisch zu sagen.

Von Intimität ist wenig die Rede. Aber von Sehnsucht. Von Verabredungen. Von Plänen. Von andern Autoren. Und von eigenen Gedichten. Celan lebt in Paris. Bachmann in Wien. Vorwürfe werden gemacht. Enttäuschungen werden zum Ausdruck gebracht. Mehr von ihm als von ihr. Und bisschen belehren möchte er auch. Dann ist Frank Matthus’ Stimme ideal. Johanna Spitzer hat es etwas leichter, rein stimmlich, wenn Verse im Raum erklingen. Gespielt wird nicht, nur angespielt. Eine weise Entscheidung. Briefkultur dieser Art hat genug eigene Kraft. Aus dem Leben. Die Balance zwischen Nähe und Distanz gelingt, so am Tisch sitzend, so nah beieinander – und doch schrecklich weit voneinander entfernt. Gut, dass sie nicht öfter telefoniert haben, als das möglich wurde. In Zeiten echter körperlicher Nähe, etwa in Paris, bleibt das Briefpapier liegen. Tagebücher und Schreibtischnotizen aus dem Nachlass wären ein eigenes Thema.

Zehn Jahre währt das glückliche Unglück, dann muss Paul in Paris in einem Brief von Ingeborg vom 5. Oktober 1958 aus Wien lesen, Max Frisch sei gekommen, um zu fragen, ob Ingeborg “es könnte, mit ihm zu leben”. Also Zürich. Also der Schweizer Autor. Die Vorgeschichte dieser Liaison wäre zu viel des Guten an solch einem Nachmittag.

Lesung Celan Bachmann
Unterwegs in Wien im Jahre 1948: Ingeborg Bachmann und Paul Celan (Foto: Erben von Ingeborg Bachmann)

Nochmal nachschlagen in den Büchern ist eine Sache. Auch im Hinblick auf Gedichte wie Celans “Corona” oder Bachmanns “Dunkles zu sagen”, wo es heißt: “Verwandelt ward deine Locke ins Schattenhaar der Nacht…” Leichte Kost ist das nicht. Ein Vortrag indessen wie im Alten Gymnasium schafft andere Zugänge. Das ist die Kunst. Vom Atem der Agierenden getragen. Von Empathie. Und mit dem Risiko, weinen zu müssen. Denn es geht nah. Oder befremdet. Oder verzaubert.
Johanna Spitzer und Frank Matthus zumindest konnten sich am Ende über einen überaus warmherzigen Applaus freuen.
Und das Flugzeug des Lebens? Abgestürzt. Metaphorisch gefasst. Das zeigten die kurzen Informationen über den Tod von Ingeborg Bachmann in Rom und Paul Celan in Paris.