
In der Junckerstraße gibt’s nun den ganzen Fontane
Vor ein paar Tagen der Rohrbruch in der Junckerstraße mit wirkmächtigen Wassermassen, nun ein Stilbruch? Ein riesiges Wandbild auf einem Wohnblock gewährt tiefen Einblick in Theodor Fontanes Innenleben. Klar, um schreiben zu können, müssen die Gelenke in Ordnung sein. Und noch viel mehr. Aber ein Totenschädel, ist das nicht bisschen wenig, wenn es um einen Meister des poetischen Realismus geht?
Das Bild kennt man, nicht nur in der Fontanestadt: Der Dichter Theodor Fontane mit einer Feder in der Hand – eine stilvolle Pose, zumal bei der Kleidung nicht gespart wurde. Ein Informationsschild gibt es noch nicht an der Junckerstraße. Die Insignien der Schöpfer sind mit bloßem Auge nicht zu entziffern.
Bewohner, die hier namentlich nicht genannt werden wollen, erzählen vom nächtlichen Schrecken. “Der Schädel, die Knochen, das ist doch furchtbar – vor allem im Dunkeln.” Eine Dame mittleren Alters ergänzt: “Besonders als Frau, wenn man sowieso schon bei Dunkelheit Bedenken hat, draußen alleine herumzulaufen.” Eine ältere Passantin scherzt auf der Seite gegenüber: “Ich sehe sehr schlecht. Ich habe nur gehört, dass der Fontane da groß abgebildet sein soll.” Eigentümerin sei “die Klinik”, sagen die Anwohner. Da sei ja einiges in Bewegung gekommen, sagen sie auch. Und finden das erstmal gut. “Aber gefragt hat man unseres Wissens niemanden hier im Block! Uns zumindest nicht!”

Erst kürzlich war bei der Veranstaltung zu Ehren von Max Wiese, dem großartigen Bildhauer, die Frage aufgekommen, wohin Fontane denn eigentlich blicke und warum. Und schon so lange. Günter Rieger, der Festredner, wusste zu berichten, dass man einst gemunkelt habe, Fontane sei neugierig gewesen, zu sehen, wer sich da aus höheren Kreisen in einem gewissen Etablissement herumtreibe. Nun hätte der Dichter mehr Grund, mal tief in die Junckerstraße hineinzuschauen. Auch für den Fall, dass die Kunstbetrachtung hohe Wellen schlägt.
Die Schöpfer waren ja so gnädig, nicht das ganze Geschöpf zu entblättern. Für Fragen nach Blutkreislauf, Rippen und einzelne weichere Teile reicht es. Die Schulklassen können kommen, nicht nur von der unweit entfernten Fontane-Schule. Und die Studierenden sowieso. Man will doch sicher wissen, was dem älteren Herrn fehlt und was zu tun sei…
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Fotos: vhs