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Ausklang mit Hut: Ein musikalischer Tribut an den legendären Frank Sinatra.I Foto: vhs

Johannes Hallervorden ist (manchmal wie) Frank Sinatra

31.07.2025 | Volkmar Heuer-Strathmann

“My Way” beim Seefestival in Wustrau – ein absolutes Highlight

“Sinatra-Politik”? Nie gehört? Irgendwas Sinistres? Im Gegenteil. Frank Sinatras “My Way” soll motivbildend gewesen sein für die neue Toleranz, mit der zur Zeit Gorbatschows im Kreml auf eigene Wege von Staaten des Warschauer Paktes geschaut wurde. Politlyrik? Expostpoesie? Beschönigung falscher Schritte? Was daran wahr ist, was richtig war, war am Konzertabend in Wustrau kein Thema. “My Way” nennt Johannes Hallervorden sein Programm, mit dem er gemeinsam mit seiner Band den Lebensweg des Einwandererkindes beim Seefestival Revue passieren lässt. Das Interesse war groß, der Altersdurchchnitt war hoch, der Applaus wuchs mit der Dämmerung, um am Ende in Jubelstürmen und Zugaberufen aufzugehen. Dem Wunsch kamen die sympathischen Herren gerne nach und die Menge blieb – trotz leichter erster Niederschläge. Am Ende durfte auch kurz fotografiert werden.

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Ausnahmefotogenehmigung in der Pause – natürlich nur für In-Neuruppin und Herz OPR. I Foto: vhs

Zwischen “Flying to the Moon” zur Eröffnung und “New York, New York” zum Ausklang wurde ein weiter Bogen gespannt. Hallervorden erzählte, las aus alten US-Zeitungen vor und sang. Die exzellente Band sorgte mit dafür, dass es nie pathetisch wurde. Eigentlich ist der Sänger, Schauspieler und Entertainer, Jahrgang 1998, noch ein bisschen jung, um den Star allmählich altern zu lassen. Doch da wurde nachgeholfen beim Friseur, in der Maske und in der Garderobe. Wird ja sicher gut bezahlt, dieser wagemutige vielseitige Mann. Sinatra selbst, der unvergessene Held, Jahrgang 1915, war im Bild zu sehen, wunderbar schlank, etwas größer gemacht, gleich neben der Bühne. Ein Blick auf die Musik- und Filmgeschichte! Hallervorden beschönigte nicht, wenn es um Affären, Versagen als Vater und eitle Männlichkeit geht. Wenn die Stimme nur sanft genug ist, die Seele klingt, der Swing stimmt und der herrliche Charme wirkt im Rampenlicht. Zwischendurch Augenzwinkern, denn man ist in den Konzertsälen und Filmstudios in einer glitzernden Scheinwelt oder eben “in Heaven”. Ein Frontbesuch in Italien bei US-Truppen im Zweiten Weltkrieg ist die absolute Ausnahme.

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Andrang am frühen Abend vor dem herrschaftlichen Schlossgelände. I Foto: vhs

Medienhetze ist keine Erfindung der Gegenwart. Haltung ist gefragt gegen die rechten selbsternannten Patrioten, die Menschen wie Frank Sinatra im frühen Kalten Krieg kleinkriegen wollen. Sinatra singt sein Bekenntnis zur Vielfalt der Herkunft, der Hautfarben und des Glaubens. “What is America to me?”, hatte er sich gefragt. Hallervorden sagt, wie wichtig es gerade heute sei, dieses Lied der ungeteilten Menschlichkeit zu singen. Wo, sagt er nicht. Okay. Überall. Also auch in Wustrau, daheim in Berlin und unterwegs auf Tournee durch die krachende Welt.

Der Sinatrasound ist und bleibt unverwechselbar. Johannes Hallervorden kommt ihm sehr nah. Die Herren an den Tasten, Schlagwerken, Saiten und Mundstücken bekommen immer wieder Sonderapplaus. Zu Recht. Ein Handzettel hülfe, sie beim Namen zu nennen.
Was bleibt, was wirkt, was beflügelt, selbst oder gerade bei kritisch getönter Lebensbilanz, das ist: “I did it my way!” Wer möchte schon seine Zerrissenheit vermissen, gern auch als Ambivalenz benannt, als Prozess sukzessiv gelebt oder als Dialektik buchweise veredelt…