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Schinkel Talk mit Dr. Irina Rockel, Kerstin Lassnig und Dr. Christoph Rauhut

Mit Karl Friedrich Schinkel von der Denkmalpflege zum kulturellen Erbe

03.11.2025 | Volkmar Heuer-Strathmann

Dass sich ein dynamischer kreativer junger Mann Anfang zwanzig auf Reisen für Denkmalschutz erwärmt, dürfte auch um 1800 eher die Ausnahme gewesen sein. Karl Friedrich Schinkel war so ein Mensch. Sein früher Blick auf das Erhaltenswerte war Thema beim Schinkel Talk in der Friedrichswerderschen Kirche mit Dr. Irina Rockel und Dr. Christoph Rauhut.

Irina Rockel, Gründerin der Schinkel-Gesellschaft und Ehrenmitglied, erinnerte an Schinkels Memorandum aus dem Jahre 1815. “Wenn jetzt nicht ganz allgemeine und durchgreifende Maßregeln angewendet werden, diesen Gang der Dinge zu hemmen”, schreibt der junge preußische Beamte angesichts mangelnder Ehrfurcht vor erhabenen Bauwerken, “so werden wir in kurzer Zeit unheimlich, nackt und kahl, wie eine neue Colonie in einem früher nicht bewohnten Land dastehen.” Schon gemerkt? Schreiben konnte er auch. Sogar im Amt, nicht nur privat. Rockel richtete die Aufmerksamkeit auf Schinkels erste große Reise. In Italien, vor allem aber in Frankreich, also in Paris im Dezember 1804 sei sein Blick für Denkmalpflege geöffnet worden. Seit 1789 war viel in Bewegung geraten. Was sollte als gedenkwürdig erhalten bleiben? 1815, als Schinkel zur Feder griff, war der politische Hintergrund allerdings ganz anders, Stichwort “Befreiungkriege”. Aus dem Patriotismus jener Jahre erwuchs aber im Falle Schinkel niemals Fanatismus oder Chauvinismus, mit nichts als Papier, Zirkel und Stift bewaffnet.

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Von Kopf bis Fuß auf Schinkel eingestellt – Dr. Irina Rockel am Rednerpult

Christoph Rauhut vom Landesdenkmalamt Berlin wird später von Matthias Frinken, Vorstandsmitglied der Schinkel Gesellschaft Neuruppin, gefragt werden, wie sich die behördliche Arbeit heute darstellt in der Bundeshauptstadt. Der Denkmalpfleger, der seine Arbeit ausdrücklich in der Tradition Schinkels sieht, weiß, dass Denkmalpflege ohne Kompromisse nicht möglich ist. Last und Lohn der Demokratie. Rauhut griff den in die Dikussion gebrachten Begriff des “kulturellen Erbes” gerne auf, nicht anders als Irina Rockel. Demnach kann es niemals nur um Bausubstanz gehen oder etwa allein um die Frage des Originalzustandes. Auch meine das Wort Denkmal längst mehr als das Repräsentative, mehr als die königliche oder kirchliche Herrlichkeit. Schon Schinkel, so wusste Irina Rockel zu berichten, interessierte sich ja als Knabe angesichts der Aufbauarbeit in seiner Geburtsstadt nach dem verheerenden Brand von 1787 für die Manifestationen der Bürgerlichkeit. Mit dem Projekt “Treppenforschung” bewegt man sich derzeit in einem Arbeitskreis auf diesen Spuren.

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Eine gute Adresse in Berlin – bald auch ein “Schinkelplatz” in Neuruppin?

Ausgangspunkt der Denkmalpflege, so Rauhut, sei das vorherrschende Geschichtsverständnis. Von Schinkel weiß man um seine Nähe zur Romantik. Um Goethe machte er deshalb keinen Bogen. Im Gegenteil. Jens Bisky hat mit “Poesie der Baukunst” das Schinkel-Verständnis erweitert. Seit 1975 hat Denkmalschutz in Europa eine Charta. Der Europäische Rat, nicht zu verwechseln mit der EWG, reagierte auf Kahlschlagorgien und Abrisseuphorie. Die Hoheit blieb bei den staatlicherseits Zuständigen und deren Geschichtsverständnis. Die DDR gehörte nicht zu dem Reigen, an den Rauhut kurz erinnerte.
Zuständigkeits- und Haushaltsfragen wurden beim Schinkel Talk ebenfalls thematisiert. Ein kleiner Seitenhieb aus der Menge galt der Abwehr des in der DDR gepflegten Erbebegriffs seitens der westdeutschen Linken – sicher ein Thema für einen ganzen Heimatabend. Die Moderatorin als Vertreterin der Bundesstiftung Bauakademie und ihre beiden kompetenten Gesprächspartner konnten sich über reges Interesse freuen, auch seitens der Schinkel-Gesellschaft Neuruppin. Ob sich da echte Kooperation anbahnt im Vorfeld des Schinkeljahres 2031, wird sich in naher Zukunft zeigen.
Nutzung oder Nachnutzung, das dürfte ein großes Kirchenthema der nächsten Jahre werden, von Friedhöfen ganz zu schweigen angesichts der ersten Gesetzesreformen wie in Rheinland-Pfalz. Mit der Kulturkirche in Neuruppin ist man denkmalpflegerisch noch wesentlich weiter gegangen als in Berlin mit der Friedrichswerderschen Kirche. Für Schinkel wäre klar, das zeigt das denkwürdige Memorandum: Erstmal Verzeichnisse anlegen! So wie er es 1815 fordert für “Warten, Tore, Stadtmauern, Denksäulen, öffentliche Brunnen…”

Fotos: vhs