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IN tucho lesung 2
Olga Hohmann und Max Koslowski – hier als Glückskind mit Begleiter. I Foto: vhs

Peter Graf präsentierte Jan Koslowski und Olga Hohmann

02.08.2025 | Volkmar Heuer-Strathmann

Wortakrobatik und Assoziationsströme im Tucholsky-Museum

Attribute, Lebensstationen, Aktionsfelder, Leidenschaften – im Schnelldurchgang porträtierten sich Olga Hohmann und Jan Koslowski gegenseitig, ehe die beiden Wortemacher und Sinnsucher richtig loslegten im Tucholsky-Literaturmuseum. Peter Graf, der neue wissenschaftlich-künstlerische Projektleiter, hatte zuvor zahlreiche Gäste begrüßen können und seine eigenen Aufgaben knapp umrissen. Demnach wird er sich in Zukunft auch um die Organisation solcher Veranstaltungen kümmern. Die politischen Konflikte um das Haus waren kein Thema. Die Gäste waren vermutlich auch nicht gekommen, um Berichte über den noch amtierenden Bürgermeister und die Kontrahenten vom Landkreis zu hören. Grafs Wort, dass es weitergehe, wurde mit Applaus beantwortet.

IN tucho lesung 1
Vor großen Aufgaben und dabei voller Zuversicht: Peter Graf aus Berlin. I Foto: vhs

In flinker Wechselrede gab es einen “geheimen Epilog”, der nun zum entfesselten Prolog wurde. Die Vorgaben sind gnadenlos: Ein “Rheinsberger Bogen” umfasst 16 Seiten. Basta. Schnell sprechen hilft vielleicht bei Redezeiten. Schnell schreiben wäre ein Witz. Also kürzen. Also verdichten. Selbst der Namenspatron würde nicht mehr Raum bekommen.
Von ihm gab’s “Augen in der Großstadt” aus dem Jahre 1930. “Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick…” Klar: “Von der Menschheit ein Stuck!” Und weiter. Anders in Rheinsberg. Da muss die Stadtschreiberin Glück gehabt haben, da blieb was zurück. In einem Chor entstand Freundschaft. Mit hoher Kirchenstimme holt Hohmann den Auftritt im Gotteshaus zurück. Sie strahlt. Da war besonders spürbar, wie wichtig die Zeit gewesen sein muss – hier im Kreis auf den Spuren der ersten Tage des Lebens. Die Eltern waren 1992 im Urlaub in Rheinsberg, doch Olga kam umständehalber lieber in Neuruppin zur Welt.

Jan Koslowski präsentierte einen Ausschnitt aus einer Novelle, die noch nicht vollendet ist. Beobachtungen, Assoziationen und Impressionen reihen sich aneinander auf dem Weg zweier junger Männer mit dem Auto hinaus aus der Stadt und hoch Richtung Ostsee. Aus Berlin? Auf jeden Fall nach Hiddensee! Parataxen und Ellipsen prägen die Notizen. Ganz so, wie’s im Kopf rauscht oder fließt oder blitzt oder stockt. Bloß kein Thomas-Mann-Stil! Ausgeruht wird auch hier nicht, zumindest nicht beim Vorlesen. Die Lauschenden werden hineingezogen und mitgenommen. Das kann Literatur.

Ein Gedicht von Koslowski lässt kurz darauf den Wald entflammen. Und den Poeten innehalten. Hohmann zitierte irgendwann Brechts “Gespräch über Bäume”. Fünf Worte sind mindestens geblieben: “Was sind das für Zeiten…” Die Stadtschreiberin weiß bei Eigentumsfragen die Aufmerksamkeit geschickt auf die Uferzonen der Seen und Flüsse zu lenken. Besatzer aus dem Westen sagt sie nicht. Besetzer auch nicht. Auf jeden Vokal kommt es an an diesem Abend.
Gern wäre man mit ihr noch bis zum Atomkraftwerk Rheinsberg vorgedrungen. Aber immerhin: Sie spricht es an, berichtet von Wasseranalysen an Seen, von Befürchtungen und Badelust. Ihre Zeit in Rheinsberg geht in Postkartenmotiven rund um’s Schloss nicht auf. Mit etwas Gesang und reichlich Applaus klang der gelungene Abend aus.