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Mal nicht auf dem Hochsitz des Jägers: Sebastian Klussmann in Fehrbellin I Foto: vhs

Quizprofi Sebastian Klussmann glänzt in der Rhinhalle in Fehrbellin

02.11.2025 | Volkmar Heuer-Strathmann

Die Halle war voll, die Stimmung war toll. Paarreim und Parallelismus – Vokabeln aus dem Wörterbuch der Allgemeinbildung oder blödes Oberlehrerlatein? Sebastian Klussmann kennt Rhetorik und kann Rhetorik. Und noch viel mehr. Der “Jager” aus der ARD-Sendung “Gefragt – Gejagt” war im Rahmen der Literarischen Bilderbogen 2025 zu Gast in der Rhinhalle in Fehrbellin. Er wurde gefeiert.

Dass Bildung und Allgemeinbildung nicht klar und haltbar zu definieren sind, zeigen die Allgemeinbildendende Schulen in der BRD per se und seit eh. Wie viele der rund 150 Gäste durch das Gegenprogramm der Politechnischen Oberschulen der DDR und die Erweiterten Oberschulen gegangen sind, wurde nicht abgefragt. Eine hohe Zahl hätte Klussmann, Jahrgang 1989, Geburtsort Berlin West, womöglich Gelegenheit zu Spontaneität gegeben. Und Wagemut. Weg vom Skript.
Der studierte Politologe ist mit Englisch und Denglisch aufgewachsen, Latein war Schulfach, wohl sogar Abiturfach. “Non scholae, sed vitae discimus”, die verlogene Zauberformel der humanistischen Bildung, dürfte er singen können. Französisch, Chinesisch und Japanisch spricht die “Langnase”, so Wikipedia. Er steht heute für Weltbildung, Provinzwissen inbegriffen.
Was der Mensch tun kann, um seine Allgemeinbildung zu verbessern, war Leitfrage des Abends. Die Gäste wurden einbezogen, zuerst wie in aufgelockertem Frontalunterricht, später in einem Quiz. Da ist zunächst diese Deutschlandkarte mit bestimmten Städten auf der Leinwand. Rostock ist dabei. Also nicht die Landeshauptstädte. Also Hansestädte? Nein! Natürlich dritte Bundesliga! Fußball! Männer! Eine Dame weiß es. Typisch!
Dann Fotos und Gemälde von Prominenz. Wer ist’s? Kurt Schumacher wird von einem Gast mit Bildungsballast erkannt. Klussmann erinnert daran, dass eine Straße in Fehrbellin nach dem SPD-Politiker benannt ist. Deshalb paar Tipps aus seinem Lebensalltag: Auf besondere Straßennamen achten, die Spuren verfolgen. Umwege gehen. Auf Statuen achten, auf Produktbezeichnungen ebenso. Ein süßes Beispiel aus Italien weckt Appetit und Reiselust.
Klussmann maßt sich nicht an, gute Allgemeinbildung allgemeingültig zu definieren. Für ihn und seine Bücher reicht die Orientierung an den Bereichen, die der Deutsche Quizz Verband vorgibt. Klussmann bewegt sich als Quizprofi permanent auf Schlachtfeldern wie “Film und Fernsehen”, “Geschichte” oder “Musik”. Seine Tipps für unterwegs: Sinnliche Erfahrung suchen, sich wo möglich von echtem Interesse leiten lassen und Informationsquellen verknüpfen. Reine Buchgelehrsamkeit wäre für einen Lebemann wie ihn das Letzte. Reiseziele werden variiert, Angebote auf Speisekarten werden ausprobiert, spontane Gespräche werden geführt. Er hat eine große Lernbereitschaft – auch im Hinblick auf Fachsprachen, auf Naturwissenschaft und Technik.
Natürlich lässt der Tagesgast die “Schlacht bei Fehrbellin” im Jahre 1675 auch mal locker einfließen. Und er weiß, dass die Präpositionen “in” oder “von” abwegig wären. Er ist einfach gut vorbereitet, der Entertainer. Er würde auch als Quereinsteiger an Bildungsanstalten durchgehen, als Fachkraft für Vertretungstunden. Und jagen kann man die Zöglinge ja auch.

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Quizchampion Klussmann mal ganz nahbar – fast wie ein netter Nachbar. I Foto: vhs

Die These, Allgemeinbildung sei wichtig für die Erhaltung der Demokratie, findet keinen hörbaren Widerspruch. Klussmann insistiert darauf, digitale Angebote bis hin zur sogenannten KI könnten und dürften nicht ersetzen, was Auseinandersetzung unter Menschen ausmacht, eben Kommunikation, das Kennenlernen. Reines Expertentum, Besserwisserei oder gar Sendungsbewusstsein sind nicht sein Ding. Aber Anspielungen und Wortspiele. Sendungsbewusstsein könnte im Falle der ARD ja auch bedeuten, dass Verblödung, subtile Hetze und Blendung nicht zunehmen wie auf Facebook am rechten Rand.
“Politisches System der Bundesrepublik Deutschland” heißt ein Kapitel in Band 2 der Bildungsreihe. Grundsolide, scherzfrei und voll verfassungsgemäß. Teils so langweilig wie lehrreich. Sein Tipp, aus Comics zu lernen, scheint vergessen. Zeitungskultur ebenso. Die Sterbende. Also mal konkret und zeitungshaft: In Fehrbellin hat die AfD bei der Bundestagswahl 2025 fast 36 % der Zweitstimmen erreicht, an Erststimmen noch mehr. Von Klussmann wird diese Partei in Band 2 mit den Kategorien Rechtspopulismus, Rechtsextremismus und Nationalkonservatismus charakterisiert – Worte, die sicher zur Allgemeinbildung gehören. Schon morgen kann ja im Quiz nach den Parteien von gestern gefragt werden.
Wie dieser weitgereiste Wortemacher Ernstes und Unterhaltsames verknüpft, das beeindruckt. Und er steht auch zu Bildungslücken. Man weiß ja seit Sokrates, also schon paar Jahre, dass mit dem Wissen das Gefühl der Unwissenheit wächst…