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IN schinkels Seelenleben 1
Hinter Gittern oder daheim und mit weitem Blick? Collagenausschnitt, David Sernau 2025, bei Mende, 2025, Seite 140

“Schinkel der Große”? Jan Mendes Studie beleuchtet auch Schattenseiten

28.10.2025 | Volkmar Heuer-Strathmann

Wer’s gerne heldenhaft hat, wird mit Jan Mende kaum schöne Stunden haben. Nicht weil er despektierlich über Karl Friedrich Schinkel schriebe. Nein, er schaut nur genau hin, liest viel und gründlich und liefert mit der Studie “Karl Friedrich Schinkel -großer Künstler, ‘einsame Seele?’” keine Auftrags- oder Gefälligkeitsarbeit ab. Im Jahr 2026 gehört der in Berlin lebende Museumskundler zu den Kandidaten für den Schinkel-Preis.

Nimmt man die vielen Abbildungen ins Visier, wird man von einer vielschichtigen Werkschau sprechen können. Hintergrund ist ein Vortrag Mendes im Mai 2024 in Berlin. Natürlich in der Friedrichswerderschen Kirche. Gäbe es die letzte Wirkungsstätte Schinkels noch oder wieder, wäre Mende sicherlich dort ans Werk gegangen. Gäbe es ein größeres Interesse an solchen exzellenten Kulturevents, hätte es auch das Schauspielhaus sein können. Im besten Fall eine Inszenierung oder eine szenische Lesung mit Salonmusik jener Jahre, die viele der Stimmen laut werden lässt, die Mende zitiert oder erwähnt. Auch die abfälligen, auch die abwegigen.

Als Maler und Designer wird Karl Friedrich Schinkel vorgestellt. Irgendwo dazwischen steht der Architekt. Die Abbildungen erschließen viele Seiten des 1781 in Neuruppin geborenen Pastorensohns. All das wäre nicht neu. Auf Neues oder wenig Beachtetes verweisen Kapiteltitel wie “Der Maßlose”, “Effekthascherei?” oder “Der frustrierte Schinkel”. Mit “Kollegenschelte” könnten zwei konträre Blickrichtungen verbunden sein. “Wer war Schinkel wirklich?”, die Leid/tfrage wird Mende nicht wirklich beantworten wollen, zumal er weiß, dass die vielen Briefe und Tagebücher nicht absichtslos verfasst wurden, falls es einen solchen Aggregatzustand eines Menschen überhaupt gibt.

Dass Mende von der Seele spricht, aber fast theoriefrei daherkommt, mag an seiner eigenen Biografie liegen. 1964 in Berlin (Ost) geboren, erfreut oder nervt er nicht mit Sigmund Freud, der Kritischen Theorie oder der Narzissmusforschung. Alice Millers Untersuchung “Das Drama des begabten Kindes” steht nicht auf der Literaturliste. Traumaforschung auch nicht, obwohl Mende natürlich weiß, wodurch Schinkels Leben entscheidend geprägt wurde: Die Feuerkatastrophe von 1787 in Neuruppin, der bald folgende Tod des Vaters, die neue Familienhoheit der Mutter. Erwähnt wird Familiäres, aber eher peripher. Dem hohen Wert dieses Blicks auf Karl Friedrich Schinkel tut das keinen Abbruch.
Prominenz kommt ja auch reichlich zu Wort, der König und paar Gestalten der Kaufmannselite, die lieben Kollegen und die noch lieberen Kontrahenten, paar Frühindustrielle und befreundete Hoch- oder Spätromantiker. Das Register hilft. Gern wird auf Mario Zadow zurückgegriffen, allerdings nicht auf das Werk über Schinkel als “Sohn der Spätaufklärung”.

IN schinkels seelenleben 2
Fundstück aus dem Internet: Kulturveranstalter Jan Mende im Gespräch.

Unabhängig von der Preisfrage 2026 wäre es wünschenswert, den wortgewandten Fachmann in Neuruppin begrüßen zu dürfen. Otto Wynen vom Vorstand der Karl-Friedrich-Schinkel-Gesellschaft hat schon Kontakt aufgenommen. Was Aktualität anbelangt, sei aber noch erwähnt, dass Jan Mende, ohne das Wort vom “Kulturkampf” zu benutzen, bei Schinkel Anzeichen von “purem Dirigismus im Stil der autoritären Aufklärungspädagogik” sieht. Also Kunstaktivität und untertänigst finanzierte Kulturförderung “entgegen den Vorlieben des Publikums”? Schon ist man im Farb- und Parteienspektrum heutiger Kultur- und Senderdebatten.

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Foto: vhs