
Wenn Stillleben den Rahmen (noch nicht) sprengen
Anton Henning zur Finnissage im Museum Neuruppin.
Wir schreiben das Jahr 2115. Im Museum Neuruppin erinnert man an den Anbau. 100 Jahre ist das her. In Museen, die was auf sich halten, ist das kein Alter. Aber bedenkenswert. An eine Feierlichkeit ist allerdings nicht zu denken. Das muss über das Gigameganetz laufen angesichts der Dürre und der Strahlenbelastung. Kein Mensch will dauernd die Knochen der anderen klappern hören oder die Haut sehen, die davon zeugt, was kommt, weltweit und mit Wucht. Anfang des 21. Jahrhunderts hätte man leben müssen. Da gab es noch Stillleben, Idyllen und echte Finnissagen.
Bilder werden 2125 online präsentiert von der Ausstellung zum 10-jährigen Jubiläum. Das war 2025. Das ist jetzt. Nur zur Erinnerung.
Fotos zeigen Anton Henning bei der Eröffnung und zum Ausklang. Gut sieht er aus. Gern stellt er sich den Fragen von Maja Peers, der Museumsleiterin. Er kennt einige der Anwesenden. Niemand widerspricht, als Henning sagt, politische Kunst müsse außergewöhnlich sein, es müsse krachen. Seine Sache sei das nicht. Gar nicht. Überhaupt nicht. Auf keinen Fall. Er kann sich ganz der Moderne hingeben und in ihren Armen Blütenzauber schaffen, aber keine Wahlplakate. Stillleben sind hier sein Ding, stilistisch variiert, manchmal imitiert, aber nie bis zum Verdorren betrachtet. Alles lebt. Viel wird gewagt. Nur keine Politik! Das Schöpferische brauche freie Bahn, Impulse, Inspiration, aber nicht Aufträge. Auch nicht für Vorzimmer von Wohlhabenden oder Hinterzimmer von Schurken. Freiheit, das war unmissverständlich, ist Voraussetzung. Ist ja so. Oder?
Momentaufnahmen sind angesagt – in Neuruppin heißt das: 15 Werkstücke zwischen Impressionismus und Expressionimus, zwischen Surrealismus und Ismen jeder Art als Chiffre für alles, was in keine Schublade passt, aber nicht Stückwerk ist. Henning möchte Zugänge zur Kunst schaffen. Für alle Welt. Aber bitte nicht auf Bodenhöhe. Kunst ist nicht Kunstrasen, um es ganz flach zu sagen. Gute Kunst sei per se Beanspruchung, Herausforderung. Und das Verhältnis zur Malerei eben eine persönliche Angelegenheit, keine Klassenfrage. Nicht dass wieder wer mit Sozialistischem Realismus kommt und langweilt ohne Ende…

Bisschen Politik kommt dann doch noch in den in der Tat kunstschönen Vorabend. Es darf votiert werden. Henning schenkt dem Museum zwölf Werke. Die sehenswerte Ausstellung “12 Wanderungen duch die Moderne” birgt etwas mehr. Ein Votum muss her. Also kleben, gerne bei jedem Besuch. Punkt für Punkt. Dass die inzwischen fast zugeklebten Kleinformate selbst etwas von Aktionskunst haben, sei nicht unterschlagen. Demokratie braucht neue Formate, das weiß die halbe Welt. Die bessere Hälfte? Anton Henning gefällt, daraus macht er kein Geheimnis, dass man die Werke haben will. Schenken und verschmäht werden? Eine schreckliche Vorstellung. Er muss das sicherlich nirgendwo befürchten.
Bald geht’s weiter in Düsseldorf, in Bremen. Ausstellungen, Termine. Hier in der Region, hier in Ostprignitz geht’s weiter daheim. Im Atelier. Im Gespräch mit der Geliebten. Unter allen Blumen aus nichts als Farbe und all den anderen wundersamen Motiven dieses Künstlerlebens gibt es das Leben mit ihr. Sie strahlt. Im Hintergrund. Es gibt das Leben im Garten, auf Reisen, in der unbändigen Kulturszene. Es gibt die Küche. Intimer wird das Gespräch nicht und das ist gut so. Maja Peers sei Dank!
Wer in die Bilder von Anton Henning hineinsieht, ohne Spuk, ohne Esoterik, spürt, wie einige der Blumen dürsten. Draußen zeigt die Sonne, was sie vermag. Und sie kann noch ganz anders, wenn man ihr dumm kommt. So dumm wie bisher. Dann gerät die Welt aus den Fugen. Aber heute ist erstmal die Hauptsache, die Bilder sind gut gehängt. Und das sind sie.
Anton Henning, das weiß man noch 2125, hatte in New York gelebt und in London, er hatte in West-Berlin seine Zeit und in Berlin. Allein dazwischen liegen Welten. Und vierzig Jahre Stillleben? Mit Mobiliar nach seiner Art bietet Henning im Museum Lebensgefühl und Lebensstil. Das gefällt 2025.
Blumen verbinden. Auch gebunden. Eigentlich hätte der gefeierte Künstler seinen Strauß verdient gehabt. Kein Stillleben. Den hätte dann sicherlich “sie” bekommen. Oder nicht? Im Museum von Neuruppin muss man mit allem rechnen. Auch mit der Moderne, diesmal durchwandert. Modern? Welch schöne Anspielung auf den deutlich weniger modernen Fontane in seiner Mark Brandenburg! Die Moderne Henning’scher Art ist noch lange nicht am Ende, trotz des Worts von der Postmoderne.