
Juristische Turbulenzen um Schlammrohrsicherheit im KKW Rheinsberg
Der Fall scheint entschieden: Die bundeseigene Entsorgungsfirma EWN kann wie geplant weitermachen im KKW Rheinsberg. Aber es besteht noch kurze Zeit Einspruchsmöglichkeit für das Umweltministerium in Potsdam. Es geht um Sicherheitsauflagen bei Arbeiten in einem nuklear kontaminierten Bereich.
Seit Jahrzehnten wird am Rückbau des KKW Rheinsberg gearbeitet. Das 1990 stillgelegte Vorzeigeobjekt aus DDR-Zeiten wird die Gemüter, die Entsorgungskräfte und eventuell auch die Justiz wohl noch fünfzehn Jahre beschäftigen. Das Kernkraftwerk liegt unmittelbar am kleinen Wulwitzsee und zwischen Nehmitzsee und dem Großen Stechlinsee. Es gibt Verbindungen. Eine Publikation über die “Geschichte und Zukunft einer Technik” am Beispiel KKW Rheinsberg, die Andreas Jüttemann und Martin Schlecht herausgegeben haben, zeigt die Entwicklung auf.
Aktuell geht es um Sicherheitsbedenken des besagten Ministeriums. Aus zwei großen langen Behältern soll radioaktiv verseuchter Schlamm entsorgt werden. Eine Person macht den Job. Ein Öffnung von 55 cm Durchmesser gewährt Zugang. Ob man das zur Ulbrichtzeit tatsächlich “Mannloch” genannt hat? Wäre denkbar. Um die Sicherheit dieser Person geht es. Was zunächst wie eine Amtseinmischung wirken könnte, hat prinzipiell Relevanz, da “Versuch macht klug” hier nicht gelten kann. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat aber keine Einwände, was die Auflagen und die Umsetzung angeht. Die Sachfrage selbst stand nicht zur Debatte. Dass vor Gericht Exekutive und eine staatliche geführte Firma gegenüberstehen, ist eher ein gutes Zeichen für die Stärke des Rechtsstaates.

Die Publikation aus der Reihe “Geschichts- und Erinnerungsorte”, die 2021 erschien, erweckt den Eindruck, in der gesamten Bundesrepublik sei Kernenergie und damit Kernkraftwerkstechnik ein Auslaufmodell. Was Abschaltung angeht, stimmt das, Stand 2025. Was Energiedebatten angeht, ist das Thema noch lange nicht erledigt, wie der letzte Wahlkampf zum Bundestag gezeigt hat. “Rheinsberg wieder ans Netz!”, hat allerdings niemand gefordert, auch nicht die Risikopartei AfD.
Die Studie “Roter Strom” von Sebastian Stude birgt Überraschungen. “Ein neues Zeitalter bricht an!”, hörte man. Der das 1955 in der Volkskammer voller Begeisterung sagt, heißt Robert Havemann. Der von den Nazis verfolgte Chemiker war SED-Mitglied. Erst 1964 wurde er ausgeschlossen.
1966 wurde das KKW Rheinsberg ans Netz angeschlossen. Durch die jüngsten juristischen Streitigkeiten ist es mal nicht die Rheinsberger Oper mit ihren vollen Klängen, die die Schlagzeilen bestimmt. Wäre Nuklearstrahlung nicht lautlos und schleichend, sondern wie nervtötende Musik, wäre vermutlich ohnehin vieles anders gelaufen im letzten Jahrhundert. Dass es in Rheinsberg zu Kontaminierungen von Wasser kam, weiß man schon lange. Nun also ran an den Schlamm. Mit Sicherheit – und sicher nicht nach einem Losverfahren…