Umfassende Treppenforschung führt auch zu den Menschen
“Manchmal treffe ich Harras auf der Treppe”, liest man in Franz Kafkas Erzählung “Der Nachbar”. Kurz darauf heißt es: “Er huscht förmlich vorüber.” So wird das Misstrauen in diesem Treppenhaus immer größer.
Die Abschlussveranstaltung zur Ausstellung “Neuruppiner Treppenforschung” ließ deutlich werden, dass es um weit mehr geht als nur um Baufachfragen. Lebensstandard, Lebensstil und Lebensgefühl spielen auch eine Rolle.
Irina Rockel und ihr Team konnten sich über reges Interesse freuen – in den letzten Wochen tagtäglich am Kunstkiosk, am Ende im Museum. Matthias Metzler vom Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege sprach nicht nur den Aktiven größtes Lob aus. Ebenso den beteiligten Hauseigentümern oder Bewohnern und den Zuständigen aus der Verwaltung. Neuruppin ist für ihn “wieder einmal ganz vorne”. Kein Widerspruch im Raum.
Dietmar Aufleiter vom Vorstand des Vereins für Scalalogie machte aus seiner Begeisterung auch kein Geheimnis. Man gehört zu den Unterstützern und hofft auf Nachahmung. Jan Juraschek wies im Rahmen seines Grußwortes als Baudezernent der Stadt Neuruppin darauf hin, dass man durch das Projekt “Treppenforschung” sensibilisiert werde für Treppengänge jeder Art. Beschwernisse könnten sich einstellen treppauf. Man treffe Menschen. Man könne verweilen. Technokraten reden anders. Bungalowbewohner hören besser weg.

Als Initiatorin ließ Irina Rockel erstmal die Stadt entflammen. Es ist der 28. August 1787, ein Sonntag, es ist früher Nachmittag. Neuruppin brennt lichterloh, KI macht’s möglich. Aus einer Ruinenlandschaft entwickelt sich der Aufbau. Es gibt Vorgaben für die Bürgerhäuser, es gibt keine Einheitlichkeit, aber System. Da ist mal Obrigkeitslob fällig. Handwerker sieht man schon bald bei der Arbeit. Die Grenzen der KI werden auch offenbar. Aber die Anschaulichkeit hilft, sich in den Prozess hineinzudenken. Die Gegenwart hat hier ihre Wurzeln. Nicht nur diese Ausführungen wären es ganz gewiss wert, spätestens im Schinkeljahr 2031 als Buch zu erscheinen, reich bebildert.

Der Bezug zum Leben Karl Friedrich Schinkels könnte kaum unmittelbarer sein. Sechs Jahre jung war der Knabe, als es brannte. Der Vater starb kurz darauf. Mit Rene Wildgrube ist ein weiterer Schinkelianer im Team. Er präsentierte am Ende Ergebnisse der Neuruppiner Treppenforschung als Animation – ein Treppenhaus in Bewegung, das gefiel. Digitalisierung der Ergebnisse ist das Ziel. So erhält Denkmalpflege moderne Grundlagen. Löschen wäre ein Treppenwitz!
Andre Maier und Stefan Schurr hatten als Mitmacher zuvor andere Schwerpunkte gesetzt, etwa ihre Erfassungsmethode an Ort und Stelle, die Art der Dokumentation, außerdem erläuterten sie geometrische und ästhetische Aspekte. Sie haben den Blick. Das Projekt läuft noch weiter. Man sucht nach anderen Objekten. Und bräuchte noch paar Mitwirkende. Eigentlich geht’s um Spurensicherung.
Das Museum selbst war der richtige Ort für die Präsentation. Der Weg nach oben kann vorne über eine historische Treppe führen. Alles atmet Geschichte. Es knarrt. Es graut. Da hilft’s, an “Stufen” zu denken, wie Hermann Hesse sie legte: “Der Weltgeist will uns Stuf’ um Stufe heben…”