
Starke Kinder, starke Zukunft: Wie Kampfsport das Selbstbewusstsein fördert
Durch Karate werden bei Kindern Disziplin, Respekt und Selbstbewusstsein gefördert – Punkte, auf die Stefan Ganschow besonderen Wert legt. Ein Besuch beim Training in Neuruppin.
Die Uhr zeigt kurz vor halb fünf, als Stefan Ganschow seine Trainingsgruppe zum letzten Mal an diesem Nachmittag zusammentrommelt. „Alle Karate-Kinder stellen sich bitte nebeneinander auf“, ruft der Trainer in die Halle und ergänzt: „Dafür habt ihr jetzt zehn Sekunden Zeit.“
Während Ganschow herunterzählt, bilden die Kinder ganz vorbildlich und diszipliniert eine Reihe und richten die Blicke nach vorn zu ihrem Coach. „Jetzt kommen wir alle nochmal zur Ruhe“, sagt Ganschow. Wie selbstverständlich gehen die Jungen und Mädchen in eine Art Schneidersitz, legen eine Hand auf die Brust und schließen die Augen, bevor sie sich wenig später mit einer Verbeugung voneinander verabschieden und in die Umkleidekabinen verschwinden.

Hinter den Kindern in ihren weißen Anzügen samt unterschiedlichfarbener Gürtel liegen wie jeden Montag und Mittwoch 90 Minuten Training, in denen es um weit mehr geht als reine körperliche Ertüchtigung. Respekt spielt zum Beispiel eine wesentliche Rolle, wie man anhand der Verabschiedung sehen kann: Respekt vor dem Gegenüber, dem Trainingspartner, der Trainingshalle. Ebenso wichtig ist Stefan Ganschow und seinem Mitarbeiter Maurice Koster das Thema Persönlichkeitsentwicklung.
„Wer Kinder trainiert, trainiert die Gesellschaft von Morgen“
„Wer Kinder trainiert, trainiert die Gesellschaft von Morgen. Und wenn man sich die Gesellschaft von heute anschaut und sieht, wie Menschen teilweise miteinander umgehen, fehlt es an vielen Stellen an sozialer und emotionaler Intelligenz, an Achtung und Respekt“, sagt Ganschow und ergänzt: „Für den Wettstreit der besten Ideen und die Zukunft unseres Landes ist das von enormer Wichtigkeit.“
Genau an diesen Punkten setzt der Betreiber der Karate-Schule Ganschow seit nunmehr 21 Jahren an. Neben dem klassischen Training für Mitglieder an den Standorten Rheinsberg und Neuruppin bietet er in Kitas Selbstverteidigungskurse für Kinder ab vier Jahren an.
Zudem finden täglich an verschiedenen Schulen des Landkreises Ostprignitz-Ruppin Arbeitsgemeinschaften zum Thema Selbstverteidigung statt. Darüber hinaus arbeitet Ganschow seit 2011 eng mit der Neuruppiner Montessori-Schule zusammen und verantwortet dort diverse Angebote. In der neunten und zehnten Klasse gehört Karate mittlerweile sogar zum Sportunterricht. Außerdem organisieren Ganschow und sein Mitarbeiter regelmäßig Workshops an Schulen, in denen es um Anti-Mobbing und Gewaltprävention aus Sicht der Selbstverteidigung geht – offensichtlich mit großem Erfolg.
Kooperationen mit Kitas und Schulen in OPR
Mit hörbarem Stolz in der Stimme erzählt der 49-Jährige, dass es in seiner Heimatstadt Rheinsberg keine Kita gibt, die aktuell nicht von seinem Angebot Gebrauch macht. Auch in der Kreisstadt Neuruppin sind Resonanz und Zulauf seit Jahren stabil. Dabei kommen die Kinder – genau wie in Rheinsberg – nicht ausschließlich aus dem Stadtgebiet, sondern aus allen umliegenden Orten und Gemeinden.

„Das Interesse ist wirklich groß und die Kundschaft zufrieden“, erzählt Stefan Ganschow, der die Faszination sein Berufs wiefolgt zusammenfasst: „Die tägliche Arbeit mit Menschen verschiedener Altersstufen macht mir nach wie vor großen Spaß und hält mich körperlich wie geistig fit.“ Und auch wenn er das selbst nie so sagen würde: Ein zentraler Grund dafür ist der Trainer selbst. Um zu dieser Erkenntnis zu gelangen, genügt ein Trainingsbesuch.
Ganschow spricht sehr ruhig zu seinen Karate-Kindern. Selbst wenn ein Zappelphilipp in der Gruppe ist, der etwas länger braucht als die anderen, wird er nie laut. Zudem versucht er, die sportlichen Inhalte bei aller Ernsthaftigkeit spielerisch zu vermitteln. Unabhängig davon, ob man Karate, Gitarre oder Mathe unterrichtet, ist der pädagogische Ansatz für ihn das Allerwichtigste, erst danach geht es um das Fach an sich.
„Wir wollen Fähigkeiten und Kompetenzen entwickeln und achten dabei besonders auf soziale und emotionale Intelligenz“, sagt Ganschow. Ein vernünftiges Miteinander stehe im Mittelpunkt – und damit verbunden die Frage: Wie wirken die eigenen Handlungen auf andere Menschen? Mit diesem Ansatz verfolgen die Trainer in erster Linie die Absicht, Jungen und Mädchen zu stärken und zu sozialisieren.
Kampfsport als Hebel zur Persönlichkeitsentwicklung
Oder wie es Stefan Ganschow formuliert: „Wenn Kinder merken, dass sie durch Fleiß Dinge selbstständig erreichen können, sind sie stolz auf sich – und wer stolz auf sich ist, schaut nicht auf andere herab oder mobbt sie. Das ist ein extrem wichtiger Aspekt.“ Der Kampfsport dient im Grunde nur als Hebel für eine gute Persönlichkeitsentwicklung. Dass die Kids obendrein Spaß daran haben, Neues zu lernen und sich auszupowern, sind positive Begleiterscheinungen. Primär geht es darum, den eigenen Fähigkeiten zu vertrauen und sich im Notfall verteidigen zu können.
Seine Arbeit in Kitas, Schulen und in der eigenen Karateschule führt dazu, dass Stefan Ganschow über die Jahre ein Vertrauensverhältnis zu Eltern und Kindern gleichermaßen aufgebaut hat. Durch diesen Umstand bleiben viele Jungen und Mädchen auch dann der Karate-Schule treu, wenn sie dem Kinder- und Teenager-Alter längst entwachsen sind. Bestes Beispiel dafür ist Ganschows Mitarbeiter Maurice Koster, der einst als siebenjähriger Knirps zu ihm ins Training kam und heute, als erwachsener Mann, selbst täglich Einheiten mit dem Karate-Nachwuchs leitet.
Zur Person: Stefan Ganschow, Jahrgang 1975, arbeitete zunächst in der Krankenpflege und kam erst im Alter von 22 Jahren zum Karate. Er verliebte sich in den Kampfsport, trainierte hart und legte bereits sechs Jahre nach seinem Start seine Meisterprüfung ab. Nebenher absolvierte er Trainerscheine und arbeitete seit 2001 als Karatelehrer, 2004 machte er sich als Honorartrainer selbstständig. Wenig später eröffnete er seine Karateschule, die heute Standorte in Neuruppin und Rheinsberg hat und eng mit zahlreichen Schulen und Kitas der Region zusammenarbeitet. Ganschow ist Vater zweier Kinder und lebt mit ihnen in seiner Heimatstadt Rheinsberg.