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Foto: OPR Herz

Wenn Engel reisen: Mit dem Tretroller durch die Region

19.05.2025 | ms

Gabriele Zieme-Diedrich fährt seit vier Jahren mit dem Tretroller durch Neuruppin und Umgebung. Für sie ist das leise Gefährt weit mehr als ein Fortbewegungsmittel – es ist Freiheit, Fitness und eine bewusste Form der Bewegung.

Zwei große Luftreifen, ein schmaler Rahmen, kein Motor. Nur Muskelkraft, Balance und ein klarer Blick nach vorn. Der Tretroller ist zurück. Und mit ihm ein Gefühl von Mobilität: entschleunigt, aktiv und überraschend alltagstauglich.

Der Tretroller galt lange als Randerscheinung im Straßenbild. Doch immer mehr Menschen entdecken das unscheinbare Zweirad neu – nicht etwa als Kindheitserinnerung, sondern als bewusste Entscheidung für eine andere Art der Fortbewegung. Kein Akku, kein Lärm, kein Zwang zur Geschwindigkeit. Dafür Rhythmus, Körpergefühl und Bewegung im besten Sinn.

Ein Blick zurück: Die bewegte Geschichte des Tretrollers
Die Ursprünge des Tretrollers reichen weiter zurück, als viele vermuten. Bereits 1915 wurde in New York der sogenannte „Autoped“ entwickelt – ein motorisierter Roller, der vor allem bei Pendlern und Postboten beliebt war. In Deutschland folgte kurz nach dem Ersten Weltkrieg der „Krupp-Roller“, ein sparsames Fortbewegungsmittel für die Zeit des Mangels. Beide Modelle verbanden Einfachheit mit Zweckmäßigkeit – ein Prinzip, das heute erneut an Bedeutung gewinnt.

In den 1980er-Jahren lebte der Roller neu auf – nun als klappbares Freizeitgerät für Kinder. Um die Jahrtausendwende folgte der Boom der Aluminium-Modelle. Doch erst in den letzten Jahren entwickelten sich Tretroller zu ernstzunehmenden Sport- und Alltagsfahrzeugen für Erwachsene. Große Luftreifen, stabile Rahmen und ergonomisches Design machen sie heute zu einer echten Alternative – auf Gehwegen, Radstrecken und in Nahverkehrszügen.

Alltag auf zwei Rädern
Für Gabriele Zieme-Diedrich gehört ihr Tretroller längst zum Alltag. Seit vier Jahren ist sie regelmäßig auf zwei Reifen unterwegs – zur Arbeit, zum Einkaufen oder einfach für das Gefühl von Freiheit. „Ich konnte irgendwann nicht mehr gut Fahrrad fahren“, erzählt sie. „Aber ich wollte nicht auf Bewegung verzichten.“

Das Modell – groß, stabil, mit Luftreifen – bestellte sie bei den spezialisierten Händler Tretroller Liebe nahe Hannover. „Ich habe ihn ausprobiert und sofort gewusst: Das ist meiner.“ Der Aufbau wurde übernommen, die Rückgabe wäre möglich gewesen – sie aber war sofort überzeugt. Der Roller ist heute ihr täglicher Begleiter.

Zwischen Training und Entlastung
Rollerfahren ist körperlich anspruchsvoller, als es aussieht. Die Fortbewegung erfolgt durch regelmäßiges Abstoßen mit wechselnden Beinen. „Ich denke darüber gar nicht mehr nach – das läuft automatisch“, sagt sie. Die Bewegung beansprucht Bein-, Rumpf- und Rückenmuskulatur, verbessert das Gleichgewicht und sorgt für ein hohes Maß an Körperpräsenz.

Gleichzeitig ist es ein entschleunigtes Fahren: keine Eile, kein Druck, keine externe Kraftquelle. „Ich bin draußen, ich bewege mich – und das gibt mir ein gutes Gefühl.“ Inzwischen fährt sie mit Helm. Auch wenn Gepäcktransport und Winterbetrieb Einschränkungen mit sich bringen – die Vorteile überwiegen für sie eindeutig.

Zwischen Recht und Alltagstauglichkeit
Rechtlich gelten Tretroller nicht als Fahrräder, sondern als „besondere Fortbewegungsmittel“. Sie dürfen Gehwege nutzen, Radwege nur, wenn niemand behindert wird. Auch in öffentlichen Verkehrsmitteln gelten Sonderregeln. Ein Gerichtsurteil entschied: Für den Tretroller ist keine Fahrradkarte nötig.

„Es kommt immer wieder vor, dass ich erklären muss, was das eigentlich ist, womit ich da unterwegs bin“, sagt sie. Doch aus solchen Momenten entstehen oft interessante Gespräche – z.B. über Mobilität und Gesundheit,

Aufruf zum Mitrollen
Noch fühlt sie sich als Einzelgängerin auf dem Tretroller. „Ich bin hier in der Region fast alleine darauf unterwegs.“ Zwar sei sie online mit anderen vernetzt – etwa über die Facebook-Gruppe Tretrollerliebe – doch Begegnungen im echten Leben und in der Region fehlen noch,

Deshalb sucht sie Mitstreiter:innen. Wer Lust auf regelmäßige Ausfahrten in Neuruppin, Wittstock oder Umgebung hat, kann sich gerne über die Redaktion melden. „Ich würde mich freuen, wenn daraus etwas entsteht – ein kleines Netzwerk, eine neue Gewohnheit. Manchmal reicht ein Tritt, um ins Rollen zu kommen.“

Ein Trend mit Perspektive
Ihr aktueller Roller kostete rund 500 Euro – ein Einsteigermodell. Höherwertige Varianten mit Geländebereifung oder Dämpfung liegen bei etwa 700 Euro. „Vielleicht irgendwann“, sagt sie. „Aber meiner passt gerade perfekt.“ Für sie ist der Roller längst mehr als ein Verkehrsmittel. Er ist ein Lebensgefühl: selbstbestimmt, leicht, unmittelbar.

Auch in der Familie gibt sie die Freude am Rollerfahren weiter. Erst vor wenigen Tagen war sie mit ihrem 4,5-jährigen Enkelkind unterwegs. „Er übt fleißig“, sagt sie stolz, „aber das bring ich ihm mit gern bei.“