
“New Work ist eine große Chance für den ländlichen Raum”
Björn von Busch spricht im Interview über den Wandel der Arbeitswelt, den Wert zufriedener Mitarbeiter und erklärt, warum es für ihn keinen Fachkräftemangel gibt.
Björn von Busch, die Arbeitswelt unterliegt einem ständigen Wandel, gerade in den vergangenen Jahren hat sich viel verändert, was unter dem Oberbegriff „New Work“ zusammengefasst wird. Was verstehen Sie darunter?
Wenn es neues Arbeiten gibt, muss es auch ein altes Arbeiten gegeben haben. Für mich ist das stark davon geprägt, dass man morgens aufsteht, irgendwohin fährt, wo der Arbeitgeber sitzt, und wenn man fertig ist, geht es wieder zurück nach Hause. Dadurch ergibt sich automatisch eine Lücke: Man ist weg von zuhause, von der Familie. Das ist ein Spannungsfeld und für viele Menschen ein Problem. Gerade die Corona-Pandemie hat ja gezeigt, dass digitales Arbeiten funktioniert und das Thema New Work auch geformt. Es geht um neue Wege und darum, über den Tellerrand hinauszuschauen.
Wie meinen Sie das?
Neues Arbeiten ist viel digitaler geworden und schafft es, Beruf und Familie miteinander zu verbinden, weil sich die Gesellschaft von der zwanghaften Vorgabe verabschiedet hat, fünf Tage in der Woche am Arbeitsplatz der Firma zu sitzen und immer vor Ort anwesend zu sein. Das öffnet neue Wege und macht viele Sachen deutlich flexibler.
Wie können solche neuartigen Strukturen eine Unternehmenskultur beeinflussen?
Viele Unternehmen sehen das Stichwort Work-Life-Balance eher negativ, jedenfalls empfinde ich das so. Es wird als unproduktiv wahrgenommen. Der verbreitete Ansatz ist so: der Mitarbeiter ist anwesend und damit produktiv und dann gibt es Work-Life-Balance und Mitarbeiter, die nicht anwesend sind und keine Lust auf Arbeiten hat, sondern auf Freizeit. Das stimmt einfach nicht. Menschen sind zufriedener und glücklicher, wenn sie Dinge miteinander verbinden können, und schaffen in meinen Augen mehr.
Woran liegt das?
Jemand, der gern seine Arbeit macht, der eine glückliche Familie hat und nicht zerrissen ist im Spannungsfeld zwischen Kinderbetreuung, Haushalt und Job ist im Grundsatz viel motivierter. Deswegen muss man sich von diesem Schwarz-Weiß-Denken verabschieden, im Sinne von: Produktivität oder Freizeit? Wenn man ein Modell findet, bei dem man sich irgendwo in der Mitte trifft, hat das für alle Beteiligten einen Mehrwert.
Gibt es Branchen, in denen New Work besonders gefragt und relevant ist?
Man muss sich der Sache vielleicht andersrum nähern: Ein produzierendes Unternehmen muss seine Maschinen von Menschen bedienen lassen, die tatsächlich vor Ort sind. Home Office ist da schlichtweg nicht möglich.
„Fairness bedeutet aber nicht, alle gleich zu behandeln, sondern alle im Rahmen ihrer Möglichkeiten fair zu behandeln.“
Ich höre oft von Unternehmern: Wenn ich es einem Menschen erlaube, zuhause zu arbeiten, muss ich es allen erlauben. Fairness bedeutet aber nicht, alle gleich zu behandeln, sondern alle im Rahmen ihrer Möglichkeiten fair zu behandeln. Dann muss man dem Mitarbeiter an der Maschine eben andere Vorteile einräumen, die ihn zufriedener machen. New Work bedeutet für mich nämlich auch, einen emotional gebundenen Mitarbeiter zu haben, der gerne kommt. Darauf wurde früher kein großer Wert gelegt, aber in Zeiten des Fachkräftemangels hat sich auch in diesem Bereich glücklicherweise viel verschoben.
Sie betreiben seit 2020 einen Coworking Space in Neuruppin. Welche Menschen sitzen bei Ihnen im Quartier, wie ist deren Feedback und was machen sie?
Es ist sehr divers bei uns. Wir haben zehn Arbeitsplätze zur Verfügung, wo sich Menschen über einen bestimmten Zeitraum Schreibtische anmieten können: vom kleinen Soloselbstständigen ohne Mitarbeiter, etwa Programmierer oder Grafikdesigner, bis hin zu Angestellten, deren Firma zum Beispiel in Süddeutschland sitzt und die keine Möglichkeit haben, bei sich zuhause zu arbeiten oder das nicht möchten. Es gibt dafür einen grundsätzlichen Bedarf, weil Firmen, die nach Fachkräften suchen, gut beraten sind, wenn sie nicht nur bei sich in der Region suchen können, sondern weit darüber hinaus. Wenn die Firma zum Beispiel in Karlsruhe sitzt und der Fachmann – sagen wir ein Elektrotechniker mit Diplom – in Berlin wohnt, wird es schwierig. Es sei denn, die Firma ist im Bereich New Work stark aufgestellt und bietet dezentrale Arbeitsplätze. Dann profitieren alle.
Inwiefern wird sich die Arbeitswelt in den nächsten Jahren noch weiter verändern?
In der Evolutionslehre sagt man ja nicht, dass der Stärkste überlebt, sondern der Anpassungsfähigste. Firmen sind deshalb gut beraten, in ihren Unternehmen New-Work-Strukturen zu schaffen, damit sie auf die neuen Arbeitsmodelle in Zukunft vorbereitet sind.
„Menschen suchen einfach nach Modellen, die Familie, Freunde und Beruf zu einem guten Gesamtpaket zusammenbringen.“
Wer es schafft, dezentral Mitarbeiter zu gewinnen und anzustellen und zufriedenzustellen, wird zu den Gewinnern am Arbeitsmarkt zählen. Menschen suchen einfach nach Modellen, die Familie, Freunde und Beruf zu einem guten Gesamtpaket zusammenbringen. Wer dagegen darauf beharrt, allen Mitarbeitern fünf Tage pro Woche eine Präsenzpflicht aufzuerlegen, wird Probleme haben, Fachkräfte zu finden.
Der Kreis Ostprignitz-Ruppin ist sehr ländlich geprägt. Inwiefern hat das vor der Eröffnung Ihres Coworking-Spaces eine Rolle gespielt?
Die Chance lag auf jeden Fall darin, dass wir die Pioniere waren und sind. Wir haben keine direkte Konkurrenz, es gibt keinen anderen Coworking-Space im Umkreis. Auf der anderen Seite würde ich mich ehrlich freuen, wenn noch mehr solcher Orte entstehen, weil der Bedarf weiter zunehmen wird und Konkurrenz das Geschäft belebt. Bevor wir eröffnet haben, habe ich oft die Frage gehört: Gibt es dafür überhaupt eine Nachfrage? Ich habe immer gesagt: Einer muss ja anfangen und dann gibt es auch einen Bedarf. Und genau so ist es auch gekommen.

Woher kommen die Unternehmen, die sich in Ihren Räumen einmieten?
Größtenteils aus Berlin und der Region rund um Neuruppin. Wir werden gezielt gesucht für Gruppen, die bei uns tagen, um mal raus aus der großen Stadt zu kommen oder weil wir die Rahmenbedingungen haben, die es vor Ort eben nicht gibt. Deswegen sehe ich unseren Coworking Space auch als eine Form der modernen Stadtentwicklung: die Leute kommen zu uns nach Neuruppin, übernachten hier, gehen essen, lernen die Stadt kennen – und kommen im Idealfall wieder, weil sie erkennen, wie schön es hier ist.
Wie sieht es mit einheimischen Unternehmen aus?
Wenn es nach mir geht, wollen wir gern für noch mehr Neuruppiner Firmen interessant werden. Wir haben Möglichkeiten, sich hier zu treffen, hier zu tagen und sich zu besprechen, die es in den meisten Unternehmen nicht in dieser Form gibt. Oft gibt es Besprechungsräume, aber die sind oft klein, steril oder beengt – aber so funktioniert Kreativität in meinen Augen nicht.
Der Geist muss bereit sein, sich zu entwickeln – und dazu gehört eine schöne Atmosphäre.“
Man muss es schon so herrichten, dass der Geist bereit ist, sich zu entwickeln und dazu gehört eine schöne Atmosphäre. Wir bieten viel Raum, um kreativ zu sein. Wer neue Wege gehen will, der muss neu denken – und dafür braucht man die Möglichkeit, sich frei zu fühlen. Das geht schon mit der Raumgröße los: Unser größter Raum hat zum Beispiel 155 Quadratmeter.
Inwiefern können New-Work-Ansätze effizienter sein als althergebrachte Denkmuster?
Es gibt ja den Spruch: Sharing is caring. Wir haben hier Leute unter einem Dach, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben, aber beispielsweise einen Drucker nutzen oder eine Kaffeemaschine. Oder die zusammen in einem Raum sitzen, der nur einmal geheizt werden muss. Das hat auch mit Nachhaltigkeit zu tun. Aber es hilft auch unter soziologischen Aspekten, weil man in Gruppen überhaupt erst Netzwerke aufbauen kann. Es macht einen großen Unterschied, ob ich allein vor mir herarbeite oder immer wieder mit neuen, spannenden Menschen zu tun habe. Auch bei uns haben sich Synergien ergeben: Ein Programmierer und ein Grafikdesigner haben sich in unserem Quartier kennengelernt und zusammengetan und ihr Buisness erweitert. Wir waren also eine Art Startrampe für Soloselbstständige, die das Ganze weiterdenken wollten.
Worauf legen die Leute Ihrer Erfahrung nach besonders großen Wert bei der Arbeitsumgebung in einem Coworking-Space?
Theodor Fontane, der berühmteste Sohn der Stadt Neuruppin, hat mal gesagt: Man muss es so einrichten, dass einem das Glück entgegenkommt. Das finde ich total spannend und passend. Home Office bietet nicht in allen Fällen optimale Arbeitsbedingungen, weil man zu Hause nicht immer die Chance hat, maximal konzentriert zu arbeiten. Das geht mal einen Tag, aber längerfristig ist das für viele Menschen nicht zielführend. Es kommt auf eine gute Mischung an und darauf, eine Option zu haben wie unseren Co-Working-Space mit seinen hellen, modern eingerichteten Räumen, in denen man sich wohlfühlen und produktiv sein kann.

Kann New Work auch dabei helfen, dem Fachkräftemangel zu begegnen?
Ich bin kein Freund dieses Begriffes, aus meiner Sicht müsste es eher Fachkräftebedarf heißen. Was ich damit sagen will: Manche Firmen sind einfach nicht gut aufgestellt, was New-Work-Modelle angeht. Wenn man ein gutes Produkt hat, fair bezahlt, gute Bedingungen schafft und flexibles Arbeiten anbietet, hat man als Unternehmer nicht unbedingt das Problem, keine Leute zu finden.
„New Work kann gerade für den ländlichen Raum eine Antwort sein.“
Deshalb kann New Work gerade für den ländlichen Bereich eine Antwort sein. Firmen müssen erkennen, dass darin eine große Chance liegt, sich weiterentwickeln und ihre Führungskräfte entsprechend weiterbilden lassen. Die Zeiten, in denen der Spruch „Leben, um zu Arbeiten“ galt, sind vorbei. Aber aus diesen Zeiten stammen viele Unternehmer, die heute CEO oder Chef sind, weil sie es von ihren Vätern so vermittelt bekommen haben. Aus meiner Sicht müssen einige dieser Firmen aufpassen, dass sie nicht eines Tages wie die Dinosaurier aus der Zeit fallen und wegen fehlender Anpassungsfähigkeit aussterben.
Zur Person: Björn von Busch ist Jahrgang 1977 und Vater zweier erwachsener Töchter. Er stammt ursprünglich aus Nordrhein-Westfalen, lebt seit mittlerweile 20 Jahren in Neuruppin und ist ebenso lange erfolgreich selbstständig tätig. Als Trainer, Coach und Berater unterstützt er Unternehmen dabei, Menschen, Teams und ganze Organisationen in ihrer Weiterentwicklung zu begleiten. Seit kurzem ist von Busch auch zertifizierter BAFA-Berater und kann kleinen sowie mittelständischen Unternehmen eine New-Work-Beratung anbieten, die staatlich gefördert wird. Zudem ist er Geschäftsführer der Plattform www.mylifemyjob.de.
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